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Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)

Titel: Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)
Autoren: Gabriele Keiser
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berührte die Brust. »Ich hab es nicht gewollt. Ich … ich wusste nicht, was ich tat. Immer dieses eine Lied … und so laut … das hat mich furchtbar aufgeregt.«
    Der Vorhang in Francas Kopf schob sich mehr und mehr zur Seite und gab einen sich ständig vergrößernden Ausschnitt einer bizarren Szenerie frei.
    »Frau Kayner, wo haben Sie Ihre Tochter danach hingebracht?«, fragte sie.

15
    Der Garten sah verwüstet aus. Zahllose Stiefelpaare hatten ihre Eindrücke in feuchten Moospolstern hinterlassen, die den einstigen Rasen überwucherten. Die Erde vor einem ausladenden Haselnussstrauch war aufgeworfen und bildete kleine Hügel. Dort, wo sich ehemals der Fischteich befunden hatte, klaffte ein Loch.
    Es nieselte. Der Himmel war eine vielschichtige Wattedecke aus endlosem Grau. Trotz des feuchtkalten Wetters drängten sich am Gartenzaun etliche Neugierige und beobachteten, wie Männer in mittlerweile verschmutzten weißen Schutzanzügen die Erde mit Schaufeln und Hacken bearbeiteten.
    Franca stand frierend dabei. Noch war nichts gefunden worden, das die Aussage von Helene Kayner bestätigte.
    Sie ließ den Blick über die Szenerie schweifen. Verdorrte Sträucher, hoch wuchernde Baumkronen, die längst zurückgeschnitten gehörten. Insgesamt machte der Garten den Eindruck, dass ihm schon lange niemand mehr besondere Beachtung geschenkt hatte. Ihr Blick wanderte die aus schwarzem Basaltgestein gemauerte Hauswand nach oben. Von der Rückseite wirkte das kleine Haus mit dem angebauten Schuppen düster und abweisend. Aber vielleicht rührte dieser Eindruck auch von der allgemeinen Stimmung her, die sie niederdrückte.
    Hinter einem der Fenster bemerkte sie die schmale Silhouette Davinas. Ein kaum wahrnehmbarer Schatten. Was mochte in dem Mädchen vorgehen, das dort oben stand und beobachtete, was sich in diesem Garten abspielte? Verteidigte sie doch nach wie vor vehement die Ansicht, ihre Mutter sei am Leben.
    Frankenstein hob den Kopf und blickte suchend um sich. Als er Franca entdeckte, machte er mit der Hand ein Zeichen. Mit langsamen Schritten ging sie zu ihm, stets darauf bedacht, auf den glitschigen Moospolstern nicht auszurutschen. Aber auch, um das, was sie zu erwarten schien, noch ein wenig hinauszuzögern, wenn auch nur für Sekunden.
    »Sieht ganz so aus, als ob wir fündig geworden sind«, sagte Frankenstein und deutete auf einen verrotteten Stofffetzen. Ein Stück Jute. Darunter kam etwas Bleiches zum Vorschein. Francas Körper spannte sich an. Sie spürte, wie ihr ein Frösteln die Wirbelsäule entlangkroch. Ihr Blick haftete auf Frankensteins Hand, die unablässig mit einem Pinsel feuchte Erde wegschob. Vorsichtig legte er etwas Rundes frei. Eine Schädeldecke. Einen Totenkopf.
    Franca atmete tief durch und wandte sich ab. Was dort in dem ehemaligen Fischteich lag, war das, was von einem Menschen übrig geblieben war, der zehn Jahre in der Erde gelegen hatte. So lange schon war dies hier Patricia Kayners Grab.
    Franca streifte ihre Schuhe an dem Fußabtreter ab und ging ins Haus. Trat auf die Treppe. Ging die knarzenden Stufen hoch. Ein Weg, den sie inzwischen gut kannte. Sie klopfte. Es kam keine Antwort. Sie trat trotzdem ein.
    Davina stand reglos am Fenster. Sie trug fadenscheinige Jeans und ein schwarzes Shirt. Das dunkle Haar fiel strähnig auf ihre Schulter. Es wirkte, als ob sie es schon länger nicht mehr gewaschen hätte.
    »Gehen Sie weg«, sagte sie tonlos, ohne sich umzuwenden.
    Franca trat ein paar Schritte auf das Mädchen zu. »Davina, ich weiß, wie schwer das alles für dich ist.«
    »Hauen Sie ab. Sie haben hier nichts zu suchen«, zischte sie. Als sie sich umdrehte, bemerkte Franca die Kalligraphie auf ihrem Shirt. Die chinesischen Zeichen für Leben und Tod. Ein Shirt, wie es auch der tote Mario getragen hatte. Das Symbol für den Tod war wesentlich größer.
    Das blasse Gesicht des Mädchens war wutverzerrt. Die schwarz geschminkten Lippen nahmen sich seltsam darin aus. »Wieso müssen die da unten alles aufwühlen? Warum können Sie uns nicht einfach in Ruhe lassen?« Sie fixierte Franca mit ihren schwarz umrandeten Augen, die wie dunkle Höhlen wirkten. »Sie denken wohl, das ist meine Mutter, ja? Auf den Gedanken, dass da jemand ganz anderes begraben sein könnte, kommen Sie nicht? Weil Sie so fixiert sind auf das, was Sie glauben wollen.« Sie hatte die Oberlippe hochgezogen wie ein kampfbereites Tier. Feine Spucketröpfchen begleiteten ihre Worte.
    Franca stutzte einen Moment.
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