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Garou

Garou

Titel: Garou
Autoren: Leonie Swann
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durchgemacht? Warum war er nicht mehr er selbst? Und wenn er nicht mehr er selbst war - wer war er dann? Vielleicht gehörten die Frau und das Mädchen zu ihm! Maple erinnerte sich, wie er in einigem Abstand hinter Rebecca und Zach durch den Wald gestapft war - vielleicht, um sie vor dem Garou zu beschützen, aber wahrscheinlich nur, um den Garou auf frischer Tat zu ertappen. Vielleicht war es genau so passiert: der Hirt hatte Rebecca und ihren roten Mantel im Wald entdeckt und war ihr gefolgt. Und dann musste etwas passiert sein. Etwas, das ihm gesagt hatte, dass Verfolgen allein nicht genug war.
    »Heißt das, dass er Yves erschossen hat?«, fragte Heathcliff.
    »Wahrscheinlich«, sagte Miss Maple und machte die Augen wieder auf. »Könnt ihr euch vorstellen, wie er Nacht für Nacht in seinem Versteck saß und mit seinen Silberkugeln auf den Garou gewartet hat, und immer kam nur Yves und hat seine schöne Falle vermasselt? Da hat er es irgendwann nicht mehr ausgehalten und dafür gesorgt, dass Yves eben nicht mehr kommt!«
    Die Herde hatte sich um Maple herum zusammengeballt und machte enttäuschte Gesichter. Wenn sie gewusst hätten, dass der Hirt ihn auf dem Gewissen hatte, hätten sie nicht so viel Aufwand getrieben, um Yves zu verstecken!
    »Aber«, sagte Cloud, »wenn er nicht der Garou ist - was will er dann mit Rebecca?«
    Maple überlegte. »Er will nicht Rebecca«, sagte sie dann. »Er will uns. Wir sind sein Netz! Wir locken den Garou an. Er muss mitbekommen haben, dass Rebecca wegwill. Deswegen durfte sie nicht zurückkommen. Der Ziegenhirt weiß, dass wir ohne Rebecca nicht Auto fahren können!«
    Die Schafe sahen sich an. Othello hatte den Werwolfsjäger eingesperrt - nicht den Werwolf selbst! Selbst die nicht ganz so intelligenten Schafe verstanden, dass das nicht gut war.
    »Aber wenn der Hirt der Werwolfsjäger ist«, sagte Lane. »Wer ist dann der Garou?«
     
    Tief in der Nacht trabte Heathcliff ganz alleine aus dem Heuschuppen, um sich den Mond anzusehen. Er wusste nicht genau, warum, aber er hatte das Gefühl, dass Ziegen sich oft den Mond ansahen.
    Der Mond war rund und voll und die Weide so hell, dass man die Spuren der Spatzen im Schnee erkennen konnte. Trotzdem konnte sich Heathcliff nicht richtig konzentrieren.
    Das lag an zwei Dingen.
    Eines davon war eine leere Stelle am Weidezaun, die Stelle, wo Vidocq den ganzen Abend gesessen und sehnsüchtig in den Wald gestarrt hatte. Wahrscheinlich war der Hirtenhund einfach zwischen den Bäumen verschwunden. Heathcliff konnte ihn verstehen. Er war genauso zottig wie Vidocq, und auch er wusste, was Sehnsucht war.
    Die andere Sache war noch beunruhigender: die Türen des Schrankes unter der alten Eiche, die sich nie bewegt hatten, egal, wie sehr Mama bohrte, standen weit offen. Heathcliff erstarrte. Er erinnerte sich an das Buch und daran, dass es Wesen, die es eigentlich nicht gab, im Inneren des Schrankes auf einmal doch gab. Halbe Ziegen zum Beispiel. Oder - Werwölfe?
    Doch das Wesen, das vor dem geöffneten Schrank stand, war harmlos. So harmlos, dass Heathcliff sich sicher war, dass er nur träumte.
     
    Rebecca schlug die Augen auf.
    Es war fast schon hell, und der Wolf an der Decke war nicht mehr als eine Ahnung. Ein Schemen. Bald würde das Tageslicht ihn ganz vertrieben haben.
    Im nächsten Moment wusste Rebecca, dass ein Geräusch sie geweckt hatte. Ein Kratzen. Sie fuhr herum und sah, wie die Tür sich langsam öffnete.
    Rebecca hatte sich die ganze Zeit davor gefürchtet, dass diese Tür einfach nicht mehr aufgehen würde.
    Erst jetzt verstand sie, wie sehr sie sich davor gefürchtet hatte, dass sie aufgehen würde.
     

24
     
    »Rebecca?«
    »Zach!«
    War er wirklich überrascht, sie hier zu finden? Oder hatte er sie hier eingeschlossen? Rebecca hätte so gerne seine Augen hinter der Sonnenbrille gesehen.
    Sie hatte mit allem Möglichen gerechnet: dem Ziegenhirten, der Plin, irgendeinem wahnsinnigen Alten. Sogar Maurice. Aber Zach? Zach war so offensichtlich durchgedreht mit seinem ganzen Agentenspleen, dass sie kein einziges Mal an ihn gedacht hatte. Aber jetzt erinnerte sie sich an das, was Maurice gesagt hatte: Zach war früher Patient in der Anstalt gewesen, und als Einziger hatte er nicht von hier weggewollt. War das die Ausbildung gewesen, von der er immer sprach? Hier? Hier im dritten Stock?
    Sie beschloss, keine plötzlichen Bewegungen zu machen. Statt auf die Tür zu, ging sie ein paar Schritte von der Tür weg, Richtung
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