Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ganz oder gar nicht

Ganz oder gar nicht

Titel: Ganz oder gar nicht
Autoren: Alexandra Sellers
Vom Netzwerk:
es war der Brief. Deshalb habe ich Sie alle auch so sehr gehasst."
    Najib sah sie schweigend an mit einer Mischung aus Zweifel und Trauer. Aber es gab nichts weiter zu sagen. Rosalind zuckte leicht mit den Schultern und stand auf. Sie ging ins Badezimmer und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser.
    Als sie zurückkam, saß Najib immer noch an seinem Platz und hielt eine der Glaskugeln in der Hand, die auf ihrem Tisch standen. Geistesabwesend beobachtete er, wie die Schneeflocken im Innern der mit Wasser gefüllten Kugel um die perfekte Nachbildung einer Rose herumwirbelten.
    „Ich mache Kaffee. Möchten Sie auch einen?" fragte Rosalind.
    „Ja bitte."
    Während sie sich in der Küche zu schaffen machte, blickte sie durch die Tür hinüber zu Najib. Er wirkte entspannt, aber doch so, als sei er jederzeit bereit, aufzuspringen. Wieder schüttelte er die Kugel, und die Schneeflocken wirbelten auf.
    „Wie haben Sie und Jamshid sich eigentlich kennen gelernt?" fragte er. „Waren Sie Kommilitonen?"
    „Nein. Ich hatte schon meinen Abschluss in Parvani und arbeitete an der parvanischen Botschaft als Übersetzerin. Prinz Karivan, Arash und Jamshid lebten im oberen Stockwerk des Gebäudes", erwiderte Rosalind.
    „Ich studierte damals hauptsächlich in Paris. Aber meine Schwester hat hier auch studiert, zur selben Zeit wie Jamshid", bemerkte Najib.
    Rosalind, die gerade den Kaffee abmaß, blickte auf, während er weiterredete.
    „Erinnern Sie sich an ein junges Mädchen namens Lamis al Azzam?"
    Rosalind stieß mit dem Kaffeelot gegen den Kaffeefilter. Das Kaffeemehl wurde über die ganze Arbeitsplatte verstreut. Rosalind fluchte leise und holte rasch einen Schwamm.
    Im nächsten Moment stand Najib in der Küchentür. Rosalind zwang sich zur Ruhe, wischte das Kaffeemehl weg, spülte ihre Hände ab und fuhr mit dem Abmessen des Kaffees fort.
    „Ich kannte Lamis, ja", antwortete sie, gab Wasser in die Kaffeemaschine und stellte sie an. Was mochte Lamis ihm wohl erzählt haben? „Sie ist also Ihre Schwester?"
    Najib nickte, und sie schluckte schwer. Das war eine Komplikation, die sie gar nicht gebrauchen konnte. „Wieso haben Sie nicht den gleichen Nachnamen?"
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung, so als ob eine Erklärung sich nicht lohnte.
    „Sie müssen also aus Barakat sein, nicht wahr? Jamshid sagte mir, dass die anderen Zweige seiner Familie in Bagestan und in den Emiraten von Barakat leben."
    Najib zögerte. „Ja. Wir leben in Barakat. Meine Mutter war eine Halbschwester von Jamshids Vater.
    Aber eigentlich stammt die Familie aus Bagestan."
    Ob er Lamis erwähnt hatte, um ihr Vertrauen einzuflößen? Falls ja, hatte er damit genau das Gegenteil erreicht. Sie musste ihm gegenüber auf der Hut sein. Sie wartete schweigend, bis der Kaffee durchgelaufen war, stellte dann die Kaffeekanne auf ein Tablett, fügte zwei Tassen hinzu und ging wieder ins Wohnzimmer.
    „Jamshid stammt also aus Bagestan? Das hat er mir nie erzählt", sagte sie und setzte das Tablett auf dem Couchtisch ab. Sie füllte eine der kostbaren Porzellantassen mit Kaffee und reichte sie ihm.
    „Er wurde dort geboren", antwortete Najib knapp. Er hatte bemerkt, dass Rosalind reservierter geworden war. Sie wusste also etwas. Seit er Bagestan erwähnt hatte, war sie plötzlich so vorsichtig geworden. Er gab Zucker in seinen Kaffee, rührte um und legte den Löffel auf der Untertasse ab.
    „Tatsächlich! Und weshalb hat die Familie das Land verlassen?" fragte sie.
    Du machst mir nichts vor, meine Liebe, dachte er. „Lamis ist jetzt verheiratet und hat ein kleines Kind.
    Sie arbeitet beim Fernsehen in Barakat." Wieder schüttelte er die Glaskugel. „Sie sammelt solche Dinger."
    Das wusste Rosalind nur zu gut. „Denk an mich, wenn du diese Rose betrachtest", hatte Lamis zu ihr gesagt.
    „Ich soll ihr solche Schneekugeln mitbringen, wann immer ich aus Europa komme", fuhr Najib fort.
    Diese Frau verbarg etwas vor ihm, das war offensichtlich. Er sollte ihr Zeit lassen, Vertrauen zu fassen. „Meine Schwester war nicht mehr die Gleiche, als sie aus England zurückkehrte. Wissen Sie, was schuld daran sein könnte, dass sie sich so verändert hat?"
    Seine dunklen Augen schienen bis auf den Grund ihrer Seele zu schauen. Rosalind senkte die Lider.
    „Was zum Beispiel sollte das denn sein?" gab sie schulterzuckend zurück.
    „Wenn ich das wusste! Sie hat nie darüber gesprochen. Bevor sie nach Europa ging, war sie eine lebenslustige junge Frau. Doch als
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher