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Galgentod

Galgentod

Titel: Galgentod
Autoren: Elke Schwab
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wie sie sich gibt – oder gegeben hat …« Für einen kurzen Augenblick schluckte Kalkbrenner und unterdrückte seine Tränen, bevor er weitersprach: »Mirna hätte da nie mitgemacht. Ihre Klappe groß aufreißen, das konnte sie wahrlich. Aber zur Tat schreiten, das war noch nie ihr Ding. Aber das Abi hätte sie beim zweiten Versuch spielend geschafft – jetzt, wo diese Lehrer keinen Schaden mehr anrichten können.«

Epilog
    Seit einigen Tagen wurden tagsüber die Fesseln an Eriks Händen entfernt. Auch seine Stimme kam langsam wieder, obwohl sie sich immer noch krächzend anhörte. Er hatte inzwischen alles berichtet, was ihm in den letzten Stunden vor seiner Rettung widerfahren war. Bei der Erinnerung daran hatte Erik immer noch Mühe, seine Scham zu unterdrücken. Er hatte sich aufgegeben. Das Gefühl zog ihn runter. Einfach aufgegeben. Hatte aufgehört zu kämpfen. Die Taktik seines Angreifers war aufgegangen. Und das beschämte ihn zutiefst. Alles was dieser Linus Kalkbrenner ihm prophezeit hatte, war eingetroffen.
    Bis auf seinen Tod.
    Eriks Kollegen waren schneller, als Linus Kalkbrenner kalkuliert hatte.
    Nur deshalb lag er jetzt in diesem Krankenbett und lebte noch. Die Augen hielt er geschlossen, weil er sein Umfeld nicht sehen wollte. Ein Krankenhauszimmer war für ihn unvorstellbar. Schon beim Betreten eines Krankenhauses als Besucher befiel ihn für gewöhnlich ein quälendes Gefühl von Ohnmacht und Übelkeit. Die Gerüche, die Geräusche, die Betriebsamkeit – alles im Dienste am kranken Menschen.
    Der kranke Mensch, zu dem er plötzlich selbst geworden war.
    Doch ein Geräusch vernahm er, das passte nicht in den Ablauf einer Krankenhausroutine.
    Lachen. Tuscheln. Kichern.
    Er öffnete die Augen und sah Jürgen Schnur, Esther Weis, Andrea Westrich und Anton Grewe.
    Erik staunte.
    Aber das waren noch nicht alle.
    Plötzlich tauchte hinter Anton noch jemand auf: Bernhard Diez.
    Alle freuten sich mit Erik über seine Genesung. Erik konnte nicht glauben, was er da gerade erlebte.
    Seit er in Saarbrücken lebte und arbeitete, hatte er sich immer allein – ja sogar einsam gefühlt. Doch hier sah er, dass er nicht wahrgenommen hatte, wer wirklich für ihn da war. Auch wenn diese Menschen nicht mit ihm verwandt waren, so waren sie doch seine Familie.
    Sie umarmten ihn und gratulierten ihm zu der Heldentat, für die sich Erik bis vor wenigen Minuten noch geschämt hatte. Aber während er sich die Eindrücke anhörte, die seine Kollegen von seiner letzten Aktion gewonnen hatten, glaubte er fast zu erkennen, dass er mit sich selbst viel zu hart ins Gericht gegangen war. Vielleicht war er doch kein Feigling. Womöglich war seine Reaktion ganz normal unter diesen Extrembedingungen.
    Ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht.
    Da lag er als Patient im Krankenhaus, der gerade erst knapp seinem Tod entronnen war, und der nachts immer noch mit seinen Händen ans Bett gefesselt wurde, damit er im Schlaf nichts an seinem verletzten Hals anrichten konnte, und fühlte sich einfach nur glücklich. Wohlige Wärme durchströmte seinen Körper, während seine Kollegen ihm von ihrer Aufregung und ihrer Angst um ihn berichteten.
    Sein Blick blieb an Bernhard Diez haften. Was tat er hier? Arbeitete er nicht als Nachtwächter, weil er vom Polizeidienst suspendiert worden war?
    Bernhard hatte die Frage in Eriks Augen sofort verstanden und antwortete: »Jürgen Schnur hat es geschafft. Das Verfahren gegen mich wurde eingestellt. Ich bin wieder mit im Boot.«
    Das war eine Nachricht, die Erik fast ein Lachen entlockt hätte, würden seine Stimmbänder nicht so heftig dagegen protestieren. Also brachte er nur ein undefinierbares Quäken heraus und streckte dem Kollegen den erhobenen Daumen entgegen.
    »Friedolinus Kalkbrenner wurde inzwischen für drei Lehrermorde und einen versuchten Mord an einem Polizeibeamten angeklagt«, begann Schnur mit seinem Bericht über den Abschluss des Falls. »Fred Recktenwald wird davonkommen, obwohl er von den Taten wusste.«
    »Wie das?«, krächzte Erik.
    »Ich habe ein gutes Wort für ihn eingelegt. Seine Hirnschädigung, die inzwischen durch ein Kernspin nachgewiesen wurde, und seine Verwandtschaft zu Friedolinus Kalkbrenner waren ausschlaggebend dafür, dass man ihm sein Schweigen nachsieht. Er kann wieder als Touristenführer auf der Teufelsburg arbeiten.«
    Erik lächelte, wusste er doch, warum Schnur diesem Mann geholfen hatte. Er selbst hatte ähnliche Empfindungen für Fred
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