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Galgentod

Galgentod

Titel: Galgentod
Autoren: Elke Schwab
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wollte den Fall abschließen und wieder nach vorne schauen. Also würde er nicht vorher das Krankenzimmer verlassen. Laut den Ärzten des Winterberg-Krankenhauses hatte sich der erste Verdacht auf Querschnitt-Lähmung nicht bestätigt. Kalkbrenner war mit einigen Knochenbrüchen davongekommen, während Mirna Voss diesen Unfall nicht überlebt hatte. Die Kollegen waren schon dabei, den Unfall zu rekonstruieren, weil man Mirna unterhalb des zertrümmerten Wagens gefunden hatte. Nun galt zu klären, ob es nur ein Unfall war oder ob sich zwischen Vater und Tochter während der Fahrt ein tödlicher Streit abgespielt hatte.
    Auch das sollte Schnur in einem Gespräch mit Kalkbrenner klären.
    Also harrte er geduldig aus, bis der Mann endlich von allein zu sprechen begann: »Ist es wirklich wahr, dass meine Mirna tot ist?«
    Schnur nickte und rieb sich über sein Kinn. Deutlich spürte er die Barstoppeln darauf.
    »Ihre Tochter lag unter dem Auto. Wie konnte das passieren? Hatten Sie Streit im Wagen bekommen?«
    »Ach was. Mirna hatte die Fensterscheibe ganz aufgemacht. Der elektrische Scheibenheber hat sie total angetörnt.«
    »Aber deshalb fliegt man doch nicht aus dem Auto.«
    »Sie war nicht angeschnallt«, gestand Kalkbrenner. »Sie hat sich nie angeschnallt. Hat immer großkotzig behauptet, sie lebe autark. Das hat sie jetzt davon.«
    »Wohl kaum. Wäre ihr Vater kein Mörder auf der Flucht gewesen, hätte ihr das erspart bleiben können«, hielt Schnur dagegen.
    Eine Weile geschah nichts. Schnur befürchtete schon, er hätte mit seiner Anschuldigung Kalkbrenners Redefluss gestoppt. Aber zum Glück war es nicht so.
    »Wissen Sie? Jetzt, wo meine Tochter tot ist, war alles umsonst.« Er lachte freudlos. »Alles! Einfach alles!«
    »Was alles?«
    »Ich wollte, dass Mirna es mal besser im Leben hat als ich. Hilfsarbeiter ist wohl kaum ein erstrebenswertes Leben. Als ich erfuhr, dass sie an demselben Deutschlehrer gescheitert war wie ich damals, da ging mir der Gaul durch. Mirna ist schlau. Verdammt schlau. Das hat sie von mir. Und dass sie durchs Abi gerasselt war, das lag nicht an ihr, das lag an Andernach. Der hat Menschen zerstört, die ihm nicht passten. Für den gab es schon immer nur sich selbst. Wenn ich schon damals geahnt hätte, dass dieser Dreckskerl mir so viele Jahre später wieder den gleichen Ärger machen würde, hätte ich ihn schon vor über zwanzig Jahren in der Aula aufgehängt.«
    »Hat Ihr Bruder Fred Recktenwald Ihnen dabei geholfen?«
    »Nein! Warum?«
    »Er wurde in der Tatnacht an der Schule gesehen.«
    »Ich habe ihn dorthin bestellt, damit er sich Bertram Andernach ansieht, wie er da hängt. Aber der Feigling ist weggerannt und hat gekotzt.«
    »Und die Geschichtslehrerin?«
    Jetzt lachte Kalkbrenner richtig gehässig. »Die Alte hat auch nur das gekriegt, was sie verdient hat. Sie hatte Mirna gedemütigt, weil sie angeblich aus schlechten Familienverhältnissen kommt. Meinte, solche Menschen sollte man aus dem Gedächtnis streichen. Da habe ich der Alten mal gezeigt, wie das ist, wenn man jemanden aus dem Gedächtnis streicht.«
    »Sie haben Mathilde Graufuchs also auf der Teufelsburg an dieser Eisenstrebe gefesselt und dort vergessen?«
    »Richtig! Sah doch gut aus, die Alte, als Sie sie gefunden haben.«
    Schnur räusperte sich. Den Anblick wollte er sich nun wirklich nicht ins Gedächtnis rufen.
    »Hat Günter Laug Ihnen auch etwas angetan, dass er so qualvoll sterben musste?«
    »Er war schon damals ständig besoffen und hat uns nur angepöbelt. Als ich gesehen habe, dass der Typ immer noch säuft, war mir klar, dass sich daran nichts geändert hat. Es ging nicht an, dass er heute meine Tochter anpöbelt.«
    »Warum haben Sie solange damit gewartet, die Lehrer zu töten, die an Mirnas Scheitern schuld waren? Die Abiturprüfungen sind schon im April gemacht worden.«
    »Ich hatte erst nach meiner Entlassung bei Opel davon erfahren. Als ich kein Geld mehr für meine Wohnung in Rüsselsheim hatte, bin ich zurück zu meinem Bruder gezogen, der mir die Hälfte dieses Hexenhauses freigehalten hat. Vorher ist kein Ton zu mir durchgesickert.«
    »Und warum wollten Sie meinen Kollegen töten?« Das war die Frage aller Fragen. Eigentlich saß Schnur nur deshalb so standhaft auf diesem Platz und hörte sich Kalkbrenners grässliche Geschichten an.
    »Das war einfach nur Pech. Er war zur falschen Zeit am falschen Ort.«
    »Also war Mirna nicht Ihre Komplizin bei diesen Taten?«
    »Ach was! So cool
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