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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter
Autoren: Ines Thorn
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warum sie getötet hat.»
    Hella wiegte den Kopf hin und her. «Am liebsten würde ich mit ihr sprechen», sagte sie leise. «Sie ist noch so jung. Vielleicht könnte ich ihr sogar helfen.»
    Gustelies schüttelte den Kopf. «Diesem Mädchen kann niemand mehr helfen. Dafür ist es jetzt zu spät.»
    Sie hantierte mit einigen Küchengeräten und beobachtete ihre Tochter aus den Augenwinkeln. Schließlich sagte sie:
    «Während wir auf Heinz und Pater Nau warten, erkläre ich dir rasch, wie man einen Wildbraten macht.»
    Hella nickte ergeben und seufzte, aber Gustelies hörte ihr gar nicht zu. «Für vier kräftige Esser nimmst du zwei Pfund Wildfleisch. Am besten Reh und Wildschwein. Du häutest und putzt das Fleisch und stellst einen Kessel Wasser auf den Herd. Nimm nicht zu viel Wasser. Eine Kanne voll vielleicht. Dahinein gibst du zwei geputzte Möhren, zwei Pastinaken, eine kleine Sellerieknolle und zwei Zwiebeln. Natürlich alles schön in kleine Stücke geschnitten. Das Ganze würzt du mit einer Prise von einer Muskatnuss, ein paar Wacholderbeeren und ein paar Pfefferkörnern. Wenn das Wasser kocht, gibst du einen Löffel Fenchelsamen und Kümmel sowie ein Lorbeerblatt hinzu. Wenn alles aufgekocht ist, gießt du einen Schuss Essig hinein und dazu einen halben Becher Rotwein. Alles wird noch einmal aufgekocht und abgekühlt über die Wildfleischstücke gegossen. Du lässt das Fleisch einen Tag und eine Nacht in der Beize stehen, anschließend kochst du alles noch einmal auf und lässt den Braten eine Stunde in der Hälfte der Flüssigkeit garen, die andere Hälfte brauchst du für die Soße. Jetzt gibst du Butter in einen Tiegel und bereitest mit Mehl daraus eine Schwitze, löschst diese mit Rotwein ab, gibst die andere Hälfte der Beize hinzu. Du nimmst einen großen Lebkuchen, am besten Elisenlebkuchen, und bröselst ihn in den Sud. Dann rührst du drei Löffel Honig in die Soße, gibst zerstoßene Wacholderbeeren, Pfefferkörner und Fenchelsamen hinzu und nimmst die Soße vom Herd. Zum Schluss gibst du einen Schuss Sahne hinein, rührst die Soße glatt und gibst sie über das Fleisch. Hast du alles verstanden?»
    Hella nickte, doch gleich darauf fragte sie: «Was meinst du? Wird das Mädchen die Morde gestehen?»
    Gustelies zuckte mit den Achseln. «Ich rate es ihr. Sonst wird der Richter Verhöre unter der Folter anordnen müssen, und der Scharfrichter wird die Daumenschrauben holen. Am Ende wird sie sowieso dort hängen, wo sie ihre Morde verübt hat: am Galgen.»
    Hella seufzte und nickte. «Sie dauert mich, Mutter. Ich weiß nicht warum, aber sie dauert mich von Herzen.»
    Die beiden Frauen hatten nicht gehört, dass Pater Nau die Küche auf leisen Sohlen betreten hatte. «Die Welt ist ein Jammertal und das Leben ein Graus», sagte er statt einer Begrüßung, strich seiner Nichte dann aber über das Haar. «Ein jeder Mensch ist ein Sünder. Durch Evas Sündenfall wird er in Sünde empfangen und durch ein sündiges Weib geboren. Wie kann der Mensch dann gut werden, frage ich. Nein, nein, die Welt ist ein Jammertal   …»
    «…   und das Leben ein Graus», beendete Gustelies den Satz und hob drohend den Zeigefinger vor Pater Naus Nase: «Wenn die Welt, mein Lieber, wegen der Sünden der Menschen auf ihre Vernichtung zusteuert, wie du nicht müde wirst zu beteuern, dann wird die weibliche, heilige Kraft des Herrn wirksam und Wunder tun. Gott ist Mann und Weib zugleich. Nirgendwo steht in der Bibel, dass Gott ein Mann ist. So ist das, und nun setz dich und trink mit uns einen Becher gewürzten Rotwein. Heute Abend kommt Heinz, da werden wir noch einmal von dem Wildbret essen.»
    «Oh, gewürzter Rotwein!», rief Pater Nau aus. «Die Freude meiner späten Tage!» Dann wandte er sich an Hella. «Seit deine Mutter sogar den Messwein vor mir verschließt, ist das Leben noch grauenvoller als sonst.»
    «Grauenvoll? Dass ich nicht lache! Was ist das für ein Priester, der seinen Schäfchen heimlich den Messwein wegtrinkt?»
    Pater Nau sah bedrückt drein, dann hob er beide Arme: «Was soll ich machen? Dem Grauenvollen im Leben ist am besten mit Rotwein zu begegnen!»
    Gustelies machte eine wegwerfende Handbewegung, da klopfte es an der Tür. Hella ging, um zu öffnen, fiel Heinz um den Hals und sah ihn ängstlich an. «Was ist mit dem Mädchen?»
    Heinz schob seine Frau behutsam in die Küche, ließ sich dort auf die Küchenbank fallen und deutete wortlos auf den gewürzten Wein des Paters. Sofort sprang
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