Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter
Autoren: Ines Thorn
Vom Netzwerk:
über die Brücke, die Gasse entlang und an der Kirche vorbei, bis sie an das Haus des Mädchens kam.
    Sie klopfte, doch niemand öffnete ihr. Hella beugte sich zu den Fenstern, versuchte in die Stube zu spähen, doch ein Vorhang aus – wie es ihr schien – roter Seide, der ganz und gar nicht in die Vorstadt passen wollte, versperrte ihr die Sicht. Sorgsam auf jeden Laut achtend, ging Hella um das Haus herum und stand plötzlich vor einem Garten, in dem es üppig blühte. Das Mädchen hockte mitten in den Beeten, wo sie mit einer Hacke den Boden bearbeitete.
    «Gelobt sei Jesus Christus», rief Hella laut und sah, wie das Mädchen zusammenzuckte.
    «In Ewigkeit. Amen», antwortete sie, stand auf, wischtesich die Hände an der Schürze ab und kam näher. «Wollt Ihr zu mir?»
    Hella nickte. Sie sah in das Mädchengesicht und erschrak vor der Leere darin. «Bist du nicht Agnes, die mir vor einigen Wochen Kerbel gebracht hat?»
    Das Mädchen nickte, erwiderte jedoch Hellas Lächeln nicht.
    «Nun, ich bin dieses Mal gekommen, weil meine Mutter unerträgliche Schmerzen leidet. Sie hat Koliken, sagt der Arzt. Ich kenne niemanden außer dir in der Vorstadt und wollte fragen, ob du nicht einen Trank weißt, der die Schmerzen meiner Mutter lindern könnte.»
    «Ich verstehe mich nicht auf die Heilkunst», erwiderte das Mädchen. «Küchenkräuter könnt Ihr haben. Getrockneten Thymian, Salbei, Rosmarin, Liebstöckel. Sogar Lorbeer habe ich.»
    «Und Mohnsaft?», fragte Hella vorsichtig. «Oder einen Auszug von Bilsenkraut?»
    Das Mädchen kniff die Augen zusammen. «Nein, so etwas habe ich nicht.»
    «Nun, ich hörte anderes in der Stadt. Sebastian Eibisch soll bei dir gekauft haben, als er noch am Leben war», klopfte Hella auf den Busch und ließ das Mädchen dabei nicht aus den Augen.
    Das ohnehin reglose Gesicht des Mädchens verschloss sich noch mehr. «Ich habe hier mit einer Hebamme gelebt. Sie ist gestern gestorben. Gleich hier nebenan auf dem Friedhof wird sie begraben werden. Wenn Ihr wollt, geht hin und fragt den Totengräber, der wird Euch das bestätigen können. Mag sein, dass die Hebamme sich auf diese Sachen verstand.»
    «War der junge Eibisch manchmal hier bei euch?»
    Das Mädchen schwieg. Hella konnte regelrecht sehen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete. Schließlich sagte sie: «Mag sein, dass er hier war. So mancher aus der Stadt kam zu uns. Vorgestellt haben sie sich nicht bei mir.»
    «Ihr kennt ihn also nicht, den jungen Eibisch?»
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. «Nein, ganz sicher nicht.» Plötzlich ruckte ihr Kopf nach vorn. Aus den zusammengekniffenen Augen sprühten Funken. «Ich bin keine Heilerin, Richtersfrau. Wenn Ihr keine Kräuter für die Küche kaufen wollt, so kann ich Euch nicht helfen. Ihr müsst Euch anderswo umsehen.»
    Hella schrak zurück, doch eine Frage hatte sie noch: «Weißt du jemand anderen, der vielleicht ein solches Schmerzmittel für meine Mutter hätte?»
    «Nichts weiß ich. Gar nichts. Lebt wohl und Gottes Segen.»
    Brüsk wandte sich das Mädchen ab. Hella sah, wie sie die Hacke achtlos in ein Beet schleuderte und beinahe in das Haus hineinrannte.
    Da hatte es auch Hella plötzlich eilig. Mit langen Schritten hastete sie zurück in die Stadt und ins Malefizamt. Sie klopfte an Heinz’ Stube, doch dort war niemand. Also eilte sie zur Ratsschenke und fand dort ihren Mann im Gespräch mit einem Kaufmann, der ortsfremd war.
    «Heinz!», rief Hella leise und winkte ihrem Mann. Der aber winkte zurück, bedeutete ihr, an den Tisch zu kommen. Schließlich stand er doch auf und kam ihr entgegen.
    «Heinz», presste Hella zwischen den Lippen hervor, vor Aufregung keuchend. «Heinz, ich war in der Vorstadt. Das Kräutermädchen hat praktisch zugegeben, den jungen Eibisch gekannt zu haben. Sie wohnt im Haus einer Hebamme, die zu Lebzeiten bekannt dafür war, dass sie mit Liebestränkenund Rauschmitteln handelte. Das Haus befindet sich direkt neben dem lutherischen Pfarrhaus, dessen Pastor ebenfalls ermordet wurde.»
    Heinz packte Hella an beiden Schultern und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. «Die Geldwechslerin war bei mir im Amt. Das Weib ist mir nicht geheuer. Allein, wenn ich an ihr freches Gerede denke! Sei es, wie es ist. Sie war bei der Vossin und hat dort ein Kleid in Auftrag gegeben. Wie es der Teufel so will, kam dabei die Sprache auf das Kräutermädchen. Und siehe da, auch bei der Vossin war sie schon und hat ihr Küchenkräuter angeboten.»
    «Und die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher