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Galeeren in der Ostsee

Galeeren in der Ostsee

Titel: Galeeren in der Ostsee
Autoren: Alexander Kent
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Überraschung hatte man ihm dieses Schiff gegeben: Seiner Britischen Majestät Linienschiff
Benbow,
74 Kanonen, funkelnagelneu aus der Hauptmarinewerft in Devonport. Es war das erstemal, daß Herrick auf einem Neubau Dienst tat, ihn sogar befehligte.
    Seit Monaten war er nun schon an Bord, arbeitend und sich sorgend, während die Werft ihren Teil tat, und die
Benbow
wuchs und wuchs, bis sie schließlich ihren gegenwärtigen Zustand erreicht hatte.
    Alles war noch neu und unerprobt: dies galt nicht zuletzt für die Männer, die sich in ihrem Achtzehnhundert-Tonnen-Rumpf zusammengefunden hatten. Herrick hatte jede Unze Erfahrung gesegnet, die er seinem langsamen Emporklettern auf der Leiter des Erfolges und der Beförderung verdankte.
    Glücklicherweise war es ihm möglich gewesen, einige seiner alten Recken von der
Lysander
bei sich zu behalten, einige vom Stamm der erfahrenen Maate und Deckoffiziere, die man sogar jetzt, nach der gerade hinter ihnen liegenden Sturmnacht, auf dem Oberdeck herumbrüllen hören konnte, weil sie sich – genau wie der Kommandant – ihrer Verantwortung und dessen, was die nächste Stunde bringen würde, bewußt waren.
    Herrick schaute zur Spitze des Besanmastes empor und fühlte, wie ihm dabei der Gischt ins Gesicht sprühte. Sogar vor Anker konnte es in Spithead sehr bewegt sein. Bald würde die Flagge eines Konteradmirals vom Besan wehen. Sie würden wieder zusammen sein. Mit anderen Aufgaben, mit größerer Verantwortung, aber sie hatten sich bestimmt nicht verändert.
    Herrick trat an die Finknetze und schaute zur verschwommenen Uferlinie hinüber. Sogar ohne Fernglas konnte er den Portsmouth Point sehen, seine Gebäude, die so eng zusammengerückt waren, als fürchteten sie, über die Felskante in die See zu stürzen. Da war die Kirche von Thomas á Beckett, und irgendwo weiter links der alte
George Inn.
    Er kletterte auf einen Poller und schaute hinab auf das gurgelnde Wasser, das an der kräftigen, schwarz und gelb gemusterten Bordwand vorbeiströmte. Boote tanzten auf und nieder, Ladegeschirr hob und senkte sich, um in letzter Minute noch Vorräte an Bord zu hieven, Brandy für den Schiffsarzt, Wein für die Offiziere der Seesoldaten – kleine Annehmlichkeiten, von denen man nicht wußte, wie lange sie vorhalten mußten.
    Die letzten Monate hatten Herrick nicht nur viel abgefordert, sondern ihn auch vielfältig belohnt. Von einem kleinen Seeoffizier ohne Beziehung oder Vermögen hatte er sich zu einem Mann entwickelt, der Wurzeln geschlagen hatte. Mit Dulcie hatte er Geborgenheit und ein Glück gefunden, wie er es sich nicht einmal erträumt hatte, und zu seiner größten Überraschung – das war typisch für ihn – hatte er eines Tages entdeckt, daß er mit einer Frau lebte, die, wenn auch nicht gerade reich, so doch recht wohlhabend war.
    Dulcie hatte in der Nähe des Schiffes gewohnt, solange die letzten Ausrüstungsarbeiten noch dauerten: Rahen aufbringen, das stehende Gut teeren und durchsetzen, Segel anschlagen, Kanonen an Bord hieven, vierundsiebzig Stück, und viele Meilen langes Tauwerk, Hunderte von Blöcken und Taljen, von Körben, Fässern und sonstigen Gegenständen, die einen nackten Schiffsleib in die modernste, am meisten begehrte und wahrscheinlich schönste Schöpfung des Menschen verwandelte. Die Benbow war jetzt ein Kriegsschiff, ja mehr als das, sie war das Flaggschiff dieses kleinen Geschwaders, das hier auf Spithead-Reede lag.
    »Ihr Glas, bitte, Mr. Aggett!« rief er scharf.
    Herrick hatte sich Namen schon immer gut merken können. Den Charakter ihrer Träger kennenzulernen, dazu brauchte er länger.
    Der Midshipman der Wache flitzte über das Achterdeck und überreichte ihm das große Teleskop des Signaloffiziers. Herrick richtete es durch die Steuerbordnetze und über die anderen Schiffe hinweg auf die nebligen Buckel der Insel Wight. Dann studierte er mit fachkundigem Blick sorgsam jedes Schiff. Die anderen drei Zweidecker glänzten fast im trüben Licht, und ihre geschlossenen Stückpforten hoben sich wie Schachbrettmuster von der kabbeligen See ab.
Indomitable,
Kapitän Charles Keverne. Bei jedem Schiffsnamen trat sein Kommandant vor Herricks geistiges Auge. Keverne war Bolithos Erster Offizier auf der großen Prise
Euryalus
gewesen.
Nicator,
Kapitän Valentine Keen. Sie hatten zusammen auf einem Schiff irgendwo auf den Weltmeeren gedient.
    Die
Odin,
ein kleinerer Zweidecker mit nur vierundsechzig Kanonen. Herrick lächelte trotz seiner vielen
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