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Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof
Autoren: Christine Lehmann
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Absatzschwierigkeiten. Die Studiogeräte sind falsch konstruiert …«
    Ich dachte an die zusammengebrochene Drückbank im Schlachthof.
    »Schulze verspekuliert sich überdies mit Derivatgeschäften an der Börse, um das Defizit zu decken. Der Wirtschaftsprüfer testiert die Jahresabschlüsse, die mit gefälschten Rechnungen aufgeblasen sind, gegenüber den Banken falsch, so dass die Firma das Bild eines ertragreichen Unternehmens abgibt. In Wahrheit belaufen sich die Schulden auf 12 Millionen. Nun kommt German Invest und kauft Olympic Forderungen aus Exporten ab, die gar nicht existieren. Dafür verschuldet sich German Invest bei den Banken mit 8 Millionen. Da es die Käufer im Ausland nicht gibt, bezahlt niemand die Rechnungen. German Invest steht als betrogen da und ist pleite. Das Gericht verurteilt Schulze und den Wirtschaftsprüfer zu vier beziehungsweise zweieinhalb Jahren Haft. Aber es gelingt der Staatsanwaltschaft nicht, das Gericht davon zu überzeugen, dass Fängele von den betrügerischen Machenschaften seiner ehemaligen Firma gewusst hat, auch wenn es gar nicht anders sein kann.«
    »Und wie hieß der Trottel von Staatsanwalt?«
    »Moment. Hier haben wir es. Oberstaatsanwalt Richard Weber.«
    »Wie bitte?«
    Becker hob ihren Puzzleblick aus den Zeitungsausschnit ten. »Dr. Richard Weber.«
    Genau der Führungsflegel, der im Schlachthof seine Gewichte stemmte, der Judomeisterin Katrin in den Mantel half und den Sally für einen Richter gehalten hatte. Becker stand auf und brachte die Mappe W.
    Bis vor einigen Jahren hatte der Stuttgarter Anzeiger sich noch eine Kolumne über »Menschen der Stadt« gehalten. Au tor des Porträts über Dr. Richard Weber war Pit Hessler: »Schlagfertig vor Gericht und auf dem Tennisplatz. Gestatten, Oberstaatsanwalt Dr. Richard Weber, geb. 1949 in Balingen, 169 cm groß, 68 Kilogramm schwer …«
    Vermutlich war die Reihe deshalb wieder eingeschlafen, weil die Leute ihr Gewicht preisgeben mussten.
    »Am liebsten mag der promovierte Wirtschaftsjurist den hart erkämpften Sieg auf dem Tennisplatz und schwierige Indizienprozesse gegen Verbrecher im weißen Kragen. In seiner spärlichen Freizeit hört der leidenschaftliche Rechtsstaatler, wie er sich selbst nennt, am liebsten Bach, den er auch auf seinem Bechsteinflügel zu spielen versteht. Er ist für die Polyphonie in der Gesellschaft, sagt der polyglotte Schwabe und Wahlstuttgarter, der lange Zeit in Argentinien lebte, gern spanisch kocht und Mercedes fährt. Was er an sich schätzt: die Fähigkeit zuzuhören. Dass er eitel ist, räumt er ein. Dass man ihn für arrogant hält, ärgert ihn mitunter.«
    Kotz, spei!
    Das Foto zeigte den Herrn in Schlips und Kragen mit dem lebhaften Blick des selbstsicheren Karrieristen.
    Ich machte Kopien von den Druckerzeugnissen, bedankte mich unterwürfig bei Frau Becker, die gern gewusst hätte, wozu ich das Zeug brauchte, und stieg mit dem Gefühl, mehr als erhofft und im Grunde gar nichts herausgefunden zu ha ben, ins Großraumbüro der Redaktion hinauf, wo ich seit einem Jahr mein Kabuff hatte.
    Ich redigierte den täglichen Polizeibericht über Unfalltote und Handtaschenräubereien, telefonierte einem Hausbrand in Heslach hinterher und grübelte darüber nach, wie ich den Lokalchef Pit Hessler davon überzeugen könnte, mir einen Rechercheauftrag für den Schlachthof zu erteilen, der es mir erlaubte, allerlei garstige Fragen zu stellen, die man als Privatkunde nicht stellte. Doch was wollte ich eigentlich herauskriegen? Wenn Sally mir nicht sagen wollte, warum sie sich vor Fritz Schiller fürchtete, dann hätte ich das unbedingt respektieren müssen. Leider mangelte es mir grundsätzlich an Respekt.
     
    Gertrud saß auch an diesem Montagabend wieder hinter der Empfangstheke mit dem Computer, der Pinnwand, der Schachtel mit Chips und dem Kartenlesegerät und strahlte mich mit getuschten blauen Augen an.
    »Freut mich, Frau Nerz, dass Sie sich für uns entschieden haben. Sie werden es nicht bereuen. Die Squash-Halle wird zwar erst im Sommer fertig, aber schon jetzt stehen Ihnen neben den Kursen Aerobic, Quickstepp, Karate und Judo und selbstverständlich allen Maschinen auch Solarium und Sauna zur Verfügung, das heißt, die Sauna ist auch noch nicht ganz fertig. Massage nach Voranmeldung.«
    Blieb die Kleinigkeit zu klären, wie ich zahlen würde. Ich protzte mit meiner goldenen Kreditkarte. Wer Geld hatte, konnte immer noch was sparen. Auf das halbe Jahr im Voraus gab es drei Prozent
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