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Gaelen Foley - Knight 06

Gaelen Foley - Knight 06

Titel: Gaelen Foley - Knight 06
Autoren: Nacht der Sünde
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Mädchen vom Lande halten, aber dumm war sie nicht.

Seit zweihundert Jahren befand sich der „Rose of Indra“ in ihrer Familie. Es war das einzige Erbstück, das ihre kaltherzi- gen Verwandten ihr nicht hatten wegnehmen können, und ver- körperte die Hoffnung, ihr Heim und ihr Dorf vor Michail zu retten. Eine Fälschung, also wirklich! Empört war sie hinaus- gestürmt und hatte beschlossen, sogleich den Duke of Westland aufzusuchen. Er würde ihr helfen müssen, für den kostbaren Schmuck einen fairen Preis zu bekommen, und zudem dabei, Michail für seine Verbrechen anzuklagen. Sie hoffte nur, dass Westland sie nicht so ansehen würde wie alle anderen in dieser Stadt. Denn wenn es dazu kam, dass auch er sie fortschickte, dann wusste sie keinen Ort mehr, zu dem sie gehen konnte.
    Doch sie wollte über eine solche Möglichkeit nicht weiter nachdenken. Irgendwie würde sie überleben. Leute aus York- shire, so sagte sie sich, waren ebenso selbstsicher wie sie Frem- den gegenüber misstrauisch waren. Sie würde wunderbar zu- rechtkommen, so wie ihre Mutter es sie gelehrt hatte.
    Doch wenn sie ehrlich war, dann wuchs tief in ihrem Innern allmählich die schreckliche Gewissheit, dass sie sich in einer hoffnungslosen Lage befand. Michail war zu mächtig, verfügte über zu gute Verbindungen und war zu reich. In den letzten Ta- gen hatten seine kampferprobten Krieger sie beinahe erwischt. Je erschöpfter sie wurde, desto mehr war sie davon überzeugt, dass ihr bald ein Fehler unterlaufen würde – ein Fehler, den sie teuer bezahlen müsste, mit ihrer Freiheit, ihrem Zuhause –, ganz zu schweigen von ihrer Tugend. Ich hasse diese Stadt. Ich werde hier sterben.
    Mühsam kämpfte sie gegen diesen Anflug von Verzweiflung an, fuhr sich mit der Hand durch das wirre Haar und zwang ihre Gedanken, sich auf das nächstliegende Problem zu kon- zentrieren: einen Unterschlupf für die Nacht zu finden, ehe der Sturm seinen Höhepunkt erreichte. Sie wusste, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb. Die Baumwipfel hinter den Mauern, die die Gärten der reichen Londoner Einwohner umgaben, schwankten und raschelten im Wind, und die Luft war schwer vom nahen- den Regen.
    Die Arme verschränkt, zwang sie sich, einen Fuß vor den an- deren zu setzen und den müden Blick über die ordentlich ge- pflasterten Straßen der Gegend, in der alle zu schlafen schienen, schweifen zu lassen. Überall gab es baumbestandene Plätze

und Laternen, die blassgelbe Lichtkreise verbreiteten. Nirgend- wo konnte sie hingehen.
    Die flachen Fassaden der Stadthäuser hinter den schmiedeei- sernen Zäunen boten ihr keinen Schutz. Es hätte ihr nichts aus- gemacht, auf dem Boden eines Schuppens zu schlafen, doch die Wege, die zu den hinteren Gebäuden führten, waren abgeriegelt. Für die Enkelin eines Earls gab es hier kein Durchkommen. Eine Straße hinunter, eine andere hinauf. Sie unternahm einen halbherzigen Versuch, den Zaun vor einem prachtvol- len Stadthaus zu überwinden. Im Garten hatte sie eine kleine Laube entdeckt, die ihr gerade recht gewesen wäre, doch zwi- schen den eisernen Stäben vermochte sie sich nicht hindurch- zuzwängen, und über die gefährlichen Spitzen konnte sie noch weniger klettern. Sie ging weiter, bog um eine Ecke und fand sich zu ihrer Überraschung in einem weiteren Garten wieder. Neue Hoffnung stieg in ihr auf. Sie ging hinüber zu dem um- zäunten Gelände in der Mitte, las die Kupfertafel und runzelte die Stirn. Verdammt. Es war nicht St. James’s. Auf dem Schild stand „Hanover Square“. Bekümmert sah sie sich um. Sie wuss- te nicht, in welche Richtung sie jetzt gehen musste.
    Der ferne Donner weckte in ihr vage Erinnerungen an die frü- he Kindheit, die sie auf See, auf dem Schiff ihres Vaters ver- bracht hatte. Sie blickte zum Himmel hinauf. Normalerweise gab es nicht viel, vor dem sie sich fürchtete, aber das Donnern des Kanonenfeuers und das Blut, die Schreie und die Zerstö- rung, die sie damals miterleben musste, hatten in ihr eine le- benslange Furcht vor lauten Geräuschen hinterlassen. Sie hielt ihr Gesicht in den Wind, strich sich das Haar zurück und be- gann allmählich zu vermuten, dass ihr eine schlimme Nacht be- vorstand.
    Im selben Moment brach der Sturm los. Es donnerte, Blitze zuckten, und heftiger Regen setzte ein. Erschrocken schrie sie auf, und der plötzliche Wolkenbruch trieb sie weiter voran.
    Sie hastete über die Straße und suchte nach einer Möglich- keit, sich unterzustellen. An der Ecke befand
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