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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman
Autoren: Meinrad Braun
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die was im Kopf haben. Wer Tourismus auf dem Niveau betreiben will, muss was von der Natur verstehen. Du bist ein netter Typ, kannst vermutlich einigermaßen Englisch, verträgst sicher ein bisschen Hitze und weißt viel über Tiere. Über Insekten, okay. In Afrika gibt es mehr Insekten, als einem lieb ist. Dort gibt es Schmetterlinge, die sind so groß wie Spatzen. Ameisen natürlich auch, jede Menge.«
    »Wo ist das: dort?«
    Wessings Blick glitt rasch über mein Gesicht, als wollte er herausfinden, wie viel ich getrunken haben könnte.
    »In Gabun.«
    »Wo liegt Gabun?«
    »An der Westküste. Zwischen Kamerun und Kongo.«
    »Na großartig. Wieso nicht gleich im Kongo?«
    »Mal langsam«, sagte Wessing. »Keine Sorge, Gabun ist ein sehr ruhiges Land. Das Projekt ist mit der Regierung abgestimmt, auf höchster Ebene. Platintourismus und Ökopark, eine bessere Reklame gibt’s gar nicht für die, die legen uns einen roten Teppich in den Urwald.«
    »Wie soll sich das denn finanzieren? Zehn Gäste bringen doch unmöglich die Kosten für so ein Projekt auf.«
    »Der Tagessatz ist zweitausend Dollar pro Gast. Alles inklusive, mit Transfer vom Flughafen, dem Aufenthalt in der Lodge und den Safaris, das sind immerhin mal zwanzigtausend Dollar jeden Tag, theoretisch wenigstens. Aber das Entscheidende ist nicht die Kohle der Gäste. Das sind die Carbonbonds.«
    »Was ist das?«
    »Also, wenn du ein Chemiewerk hast oder eine andere Dreckschleuder betreibst, die zu viel Kohlendioxid in die Luft pumpt, kannst du Carbonbonds kaufen, um das auszugleichen. Die Bonds werden an der Börse international gehandelt. Gabun hat noch zwei Drittel Regenwald. Der wird von uns im Projekt geschützt, mit Unterstützung der Regierung. Und die verkaufen dafür weltweit Carbonbonds. Wenn die Sache erst mal richtig läuft, sind die Gästehonorare bloß die Sahnehaube. Die Butter auf dem Brot. Wir tun was für den Planeten und werden anständig dafür bezahlt. Wie es sein soll.«
    Wessing trank sein Bier aus, stand auf und stellte die Flasche auf die Mauer. Im Aufstehen drehte er sich noch einmal um und zwinkerte mir zu.
    Nach diesem Gespräch musste ich nachdenken. Ich verbrachte eine weitere Nacht im Auto auf einem der bewährten Parkplätze, schrieb Lea mit dem Rest meines Handyguthabens zwischen sieben und vierundzwanzig Uhr ein Dutzend SMS , in denen ich meine Unentschlossenheit ausführlich bereute. Natürlich wollte ich eine Familie, behauptete ich, und meine Karriere wäre mir alles andere als gleichgültig. Ich teilte ihr mit, ich wolle sie nur noch ein Mal sehen, bevor ich wegen eines gut bezahlten neuen Jobs für ein paar Wochen – ich untertrieb vorsichtshalber – nach Afrika ginge. Nur noch ein Mal.
    Ich bekam keine Antwort. Nach dem Erwachen auf dem Liegesitz des Subaru fand ich auf meinem Handy bloß die Nachricht, dass ich das Guthaben aufladen müsse, sonst ginge nichts mehr. Eine Stunde später, bei Klemm, stand ich vor der Waage und schaute zu Wessing hinauf. Sagte, ich würde mitmachen. Wessing nickte zufrieden zu mir herunter.
    »Wir sprechen uns heute Abend«, kündigte er an.
    An diesem Tag tat ich nicht viel für mein Geld. Um meine Nervosität abzubauen, plauderte ich, versteckt hinter einem hohen Schrotthaufen, mit der netten Dame von der Katzenhilfe, die jeden Tag aufs Gelände kam, um nach der Schrottkatze zu sehen. Die Katze, ein fettes, gewöhnlich aggressiv um sich starrendes Vieh, das so tat, als gehöre der Schrottplatz ihm, war nirgends zu sehen. Woher denn die gemütliche Katzenhütte käme, die sie neulich hier aufgestellt habe, wollte ich von der Dame wissen. Ich erfuhr, dass die Arbeitslosenselbsthilfe in Marzahn im Auftrag der organisierten Katzenhilfe, ein gemeinnütziger Verein übrigens, diese Hütten baue und die Katzenfreunde sie überall in der Stadt aufstellten, wo verwilderte Katzen lebten. Vor allem im Winter wäre das wichtig, damit die Tiere es nicht kalt hätten. Sie selbst, eröffnete sie mir, lebe seit Jahren allein, das Älterwerden sei doch sehr beschwerlich, aber das könne ich – dazu bekam ich einen freundlichen Blick – ja noch gar nicht wissen. Die alte Dame hob ihre Handtasche und fing an, darin zu kramen, vermutlich wollte sie mir ein Trinkgeld geben fürs Zuhören oder dafür, dass ich die Katze gut behandelte, sie fand aber nichts und nahm die Hand wieder aus der Tasche.
    Die Gesellschaft, fuhr sie fort, sei so gleichgültig geworden, besonders nach der Wende, es zähle ja nur
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