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Gabriel

Gabriel

Titel: Gabriel
Autoren: Heather Killough-Walden
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Adarianer in Texas und sah vor sich im Spiegel einen großen Mann, der den Türrahmen hinter ihm vollends ausfüllte. »Komm herein, Ely.«
    Elyon, ein Schwarzer, zählte zu Kevins besten Kämpfern. Wie der aller Adarianer war auch sein Name während der letzten Jahrtausende abgekürzt worden. Seine adarianischen Fähigkeiten hatten sich schon oft als besonders grausam und effektiv erwiesen. Zum Beispiel konnte er einen Menschen mit einer einzigen Berührung auf ein Skelett reduzieren, indem er das lebenswichtige Wasser aus den Zellen entfernte. Nach wenigen Sekunden sanken Elys Opfer zu Boden, leblos und verschrumpelt wie altes Pergament.
    Ely nickte und trat scheinbar lässig ein. Aber Kevin bemerkte den raschen, nervösen Blick, den der Kämpfer auf den gefesselten Menschen in der Ecke warf. An einem Stuhl festgebunden, litt der Gefangene offensichtlich unter der Einwirkung von Drogen. Mit halb geschlossenen Augen starrte er blicklos vor sich hin. Als er von den Männern des Generals hereingebracht worden war, hatte er sich heftig gewehrt. Seine zerrissene Hose klebte an blutigen Wunden. Auch das elegante Hemd sah recht mitgenommen aus und war ursprünglich zweifellos unter einem Jackett und mit einer Krawatte getragen worden.
    »Achte nicht auf ihn«, befahl Kevin dem Soldaten. Er ergriff das Rasiermesser und das leere Glas, das er auf dem Beckenrand bereitgestellt hatte, und wandte sich zu dem Adarianer um.
    Angesichts der scharfen Klinge zeigten Elys bernsteinfarbene Augen plötzlich ein angstvolles Glitzern. Aber seine attraktiven dunklen Züge blieben ausdruckslos, was dem General imponierte, wie er sich eingestehen musste. Schon immer war Ely unglaublich stark gewesen, sogar nach adarianischen Maßstäben. Deshalb hatte Kevin ihn für diesen Test ausgewählt.
    »Entblöße ein Handgelenk, Ely.«
    Nur für den Bruchteil einer Sekunde zögerte der Schwarze, bevor er seinen Arm hob, den Hemdsärmel hochkrempelte und das Handgelenk dem General hinhielt. Sein Körper erstarrte zur Statue.
    Nach einem flinken, sauberen Schnitt quoll Blut aus den Adern, das Kevin in dem Glas auffing.
    Während der karmesinrote Strom das Glas füllte, schaute Ely zur Seite und betrachtete die Wand. Dann schloss er die Augen und schluckte.
    »Du siehst ein bisschen blass aus, Ely«, scherzte Kevin, denn es fiel dem Schwarzen schwer, überhaupt zu erbleichen. Allerhöchstens färbten sich seine Wangen aschgrau.
    Offenbar nicht amüsiert, schwieg Ely. Er fand es besser, nichts zu sagen, solange ihm keine netten Worte einfielen.
    Als das Glas zu drei Viertel gefüllt war, nahm Kevin einen Verband aus einem Regal, wickelte ihn um Elys Handgelenk und presste einen Finger auf die Wunde, bis das Blut die Gaze nicht mehr tränkte. »Iss Protein«, befahl er in ruhigem Ton. »Und dann komm zurück.«
    Ely war sichtlich verwirrt und schien neugierig zu überlegen, was der General mit dem Blut planen mochte. Doch er war dazu ausgebildet, Anweisungen fraglos zu befolgen. Das tat er seit einigen Jahrtausenden. Und so nickte er, sagte: »Ja, Sir«, und verließ den Raum.
    Lautlos schloss er die Tür hinter sich, und Kevin ging zu dem gefesselten Mann.
    »Falls Sie ein letztes Mal beten wollen, sollten Sie es jetzt tun. Nicht, dass irgendwer zuhören würde.«
    Der Gefangene versuchte gar nicht erst, durch den Knebel zu sprechen, der in seinem Mund steckte, sondern starrte den General nur an. Dann ließ er den Kopf schwer gegen die Rückenlehne des Stuhls sinken.
    Kevin schloss die Augen, hielt das Glas mit dem adarianischen Blut an seine Lippen und begann zu trinken, zunächst zögernd und unsicher. Dies war nur ein Experiment, basierend auf einer Ahnung. Und Blut schmeckte widerwärtig, mochte es Engelsblut sein oder nicht.
    Aber nach den ersten Schlucken konnte er mehr trinken. Er leerte das Glas und stellte es in ein Regalfach über dem Kopf des Gefesselten, neigte sich zu ihm und presste dem Mann eine Hand auf die Brust. Dabei suchte er nach der neuen Fähigkeit in sich selbst, so wie er stets seine eigenen Talente heraufbeschwor, versuchte den vertrauten Kanal in seinem Innern zu öffnen, durch den die Macht in seinen Körper, in die Welt hinaus und in den Gefangenen fließen würde.
    Was er tun wollte, wusste er.
    Zunächst geschah nichts. Doch die endlosen Jahrtausende hatten ihn Geduld gelehrt. Und so wartete er, seine Hand auf der Brust des Mannes, der langsam die Lider hob und ihn verwirrt anschaute, mit glanzlosen, hasserfüllten
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