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Gabriel

Gabriel

Titel: Gabriel
Autoren: Heather Killough-Walden
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Geräusche: den Wind, die Wellen. Die Luft war deutlich kühler. Gabriel küsste Juliette immer noch, aber die Glut war ein wenig verebbt. Offenbar spürte auch er die Veränderung. Als er sie zögernd losließ, öffnete sie die Augen.
    »Eine wohlbekannte Szene«, meinte Michael. Grinsend stand er ein paar Schritte von ihnen entfernt auf der Klippe, die Arme vor der Brust verschränkt, und zwinkerte Juliette zu. »Hübsche Flügel.«
    In diesem Moment fehlte ihr der Atem für eine Antwort. Den hatte Gabriel ihr mehr oder weniger genommen. Aber sie spähte wieder über ihre Schulter auf die grünbronzenen Schwingen. Es sind tatsächlich Flügel.
    Versuchsweise, etwas skeptisch, was die Muskulatur betraf, bewegte sie die Schwingen. Und sie reagierten großartig, entfalteten sich, streiften mit ihrem Gefieder den Boden und hoben sich triumphierend. Unwillkürlich lachte sie. Welch ein unbeschreibliches Erlebnis!
    »Ich habe Flügel!«, kicherte sie und schaute Gabriel in die Augen. Voller Stolz musterte er sie und grinste genauso breit wie Michael. Hinter seinem Rücken schlugen seine eigenen Schwingen und zogen Juliettes Blick auf sich.
    Ihrer Ansicht nach besaß er viel imposantere Flügel als sie. Schwarz wie die Nacht, verliehen sie ihm wahrlich das majestätische Aussehen eines mächtigen Erzengels, mit einer Spannweite von über sechs Metern. Im Mondlicht glänzten die silbernen Streifen.
    Seufzend schüttelte sie den Kopf. Das alles war einfach zu viel. Und dann runzelte sie die Stirn. In ihrem Unterbewusstsein lauerte ein störender Gedanke. Wie still es war. Hatte hier nicht vor wenigen Sekunden eine Schlacht getobt? Juliettes Blick schweifte umher, auf der Suche nach Abraxos und seinen Adarianern. Ein gewaltiger Spalt klaffte in der Klippe, überall lagen Erdbrocken und Geröll von der Explosion verstreut. Doch die Feinde zeigten sich nicht.
    Als Juliette sich umsah, entdeckte sie Uriel und Max, etwas weiter entfernt. Die Flügel des Racheengels waren verschwunden, und sie fragte sich, warum.
    Die beiden beobachteten sie schweigend. Max von sichtlichem Stolz erfüllt, und Uriel wies mit seinem Kinn lächelnd auf Juliettes Flügel.
    »Was ist passiert?«, fragte sie. »Wo sind denn alle? Wo ist Mitchell?« Sie hatte den Adarianer mit sich in die Tiefe gezerrt. War er dort unten auf den Felsen aufgeschlagen?
    »Nachdem du hinabgefallen warst, haben sich alle unsere Feinde zurückgezogen«, berichtete Uriel. »Auch der Typ, den du mitgenommen hast.«
    »Und du warst wahrscheinlich länger weg, als du dachtest«, ergänzte Michael. »Bei Uriel und Ellie ist’s genauso gewesen.«
    Nachdenklich starrte Juliette vor sich hin. Die Adarianer waren verschwunden? Wie hatten sie das geschafft? Es gab so viele Fragen …
    In diesem Moment sah sie den vierten Erzengel an einem hohen Felsblock lehnen, teilweise im Schatten. Auf unheimliche Weise reflektierten seine goldenen Augen das Mondlicht. Als Juliette nasse Flecken auf dem schwarzen Trenchcoat entdeckte, schluckte sie krampfhaft.
    Nun richtete er sich auf, selbst ein Schatten, völlig eins mit der Nacht, und trat aus dem Dunkel. Ein Mondstrahl fiel auf seine eindrucksvolle Gestalt. Sein Hals und ein Teil seines schönen Gesichts waren blutverschmiert.
    Er hatte gegen Abraxos gekämpft. Vermutlich waren diese beiden die mächtigsten übernatürlichen Geschöpfe auf Erden, von Samael abgesehen. Wütend und verbissen mussten sie gerungen haben, und Azraels ruhige Fassade konnte die blutigen Spuren der brutalen Schlacht nicht verhehlen. Juliette fragte sich, wessen Lebenssaft seine Kleidung befleckte. Sein eigener? Oder der des Generals?
    Nur kurz streifte Az’ goldener Blick die Flügel an ihrem Rücken. Dann inspizierte er die seines Bruders. Ein schwaches Lächeln umspielte seine perfekten Lippen.
    Langsam nickte er Juliette fast ehrfürchtig zu. »Willkommen.« Mit hypnotischem Klang hallte seine tiefe Stimme über die Klippe. Du bist eine sehr ideenreiche Frau, Juliette, fuhr die Stimme fort, diesmal nur in ihrem Geist. Intelligent, stark und gütig, ein echter Sternenengel.
    Was sie darauf antworten sollte, wusste sie nicht, und es war auch gleichgültig. Denn er drehte sich zu Max um, der ihn eifrig und sorgenvoll beobachtete.
    »Ich brauche Blut«, verkündete Az schlicht.
    Unwillkürlich erschauerte Juliette, was dem Vampir offenbar nicht entging, denn er schaute sie kurz an.
    »Ja, natürlich«, beteuerte Max verständnisvoll, »wir holen dich später ins
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