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Gabe des Blutes

Gabe des Blutes

Titel: Gabe des Blutes
Autoren: Jacquelyn Frank
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furchte.
    Darcio hatte allen Grund, besorgt zu sein. Die Rudelgefährten hatten Reule im Laufe der Zeit erstaunliche Dinge tun sehen, doch noch nie hatte Darcio es erlebt, dass jemand einen so vernichtenden Schlag gegen einen Feind führte, der eine Übermacht von sechs gegen eins darstellte. Die Schakale lagen nicht nur im Koma, sie waren tot. Tot durch die Macht von Reules Gedanken. Darcio spürte das bedeutungsvolle Schweigen des Rudels, nur der gefesselte Chayne gab Laute von sich, als er nach Luft rang. Ansonsten behielt das Rudel seine Gedanken für sich. Doch weil sie ein Rudel waren, konnte Reule ihr kollektives Unbehagen spüren.
    Aber es war nicht die Verwirrung des Rudels, die Reules geschwächte mentale Abwehr traf. Sein Geist hatte nicht mehr die Kraft, sich selbst zu schützen, und so konnte die schreckliche Trauer ihn erneut heimsuchen. Reule hatte auch Chaynes Schmerz und Demütigung abgewehrt, damit sie seine Konzentration nicht störten. Jetzt übermannten sie ihn in brennenden Wellen und waren deutlich von der Traurigkeit, die ihn umgab, zu unterscheiden. Nein, es war nicht das leidende Rudelmitglied, das Reule bedrängte. Es gab noch jemanden, und wer immer das auch sein mochte, er musste ganz in der Nähe sein.
    »Reule, tu es nicht«, warnte ihn Darcio, der jetzt frei seine Gedanken mit ihm austauschen konnte, nachdem Reules mentale Abwehr zusammengebrochen war. »Es könnte eine Falle sein. Du wirst genauso enden wie sie.« Darcio wies mit einer Hand auf den Haufen toter Schakale.
    »Nein«, keuchte Reule, während er versuchte, das Gleichgewicht und die Kontrolle über seinen Körper wiederzuerlangen. »Da ist noch etwas. Jemand, der Schmerzen leidet.«
    »Das ist nicht unsere Angelegenheit«, sagte Darcio leise, und obwohl er sich um einen neutralen Ton bemühte, war seine Besorgnis nicht zu überhören. Reule kannte Darcio gut. Sein Rudelgefährte hatte nur eine Sorge, und das waren Reules Sicherheit und Wohlergehen.
    »Darcio, wenn das du wärst, würdest du dann wollen, dass die anderen dich einfach deinem Schicksal überlassen? Sie ist ganz in der Nähe, in diesem Haus, glaube ich.« Reule hielt plötzlich inne und stellte fest, dass er recht hatte. Was er spürte, ging von einer Frau aus. Seltsam, dass er das wusste. Noch seltsamer, dass er nur diesen einen Gefühlsstrom spürte. Keine Gedanken, nichts, was man hätte genau bestimmen können, nur … Traurigkeit.
    »Siehst du?«, beharrte sein Begleiter. »Sogar dein eigener Verstand sagt dir, dass hier etwas nicht stimmt.«
    Verärgert runzelte Reule die Stirn, denn er mochte es nicht, wenn sein Verstand ungeschützt war und Darcio seine Gedanken lesen konnte. Er bemühte sich, wenigstens eine kleine Barriere zu errichten, einen Filter zumindest. Zu seiner Überraschung entstand eine massive Schutzmauer. Sie war so stark und bildete sich so unvermittelt, dass er spürte, wie Darcio erstarrte vor Schreck, als er aus Reules Verstand gedrängt wurde. Reule packte seinen Freund rasch an der Schulter und drückte sie entschuldigend.
    »Ich schätze deinen Rat sehr, Darcio. Denk daran. Doch in diesem Fall muss ich meinem Instinkt folgen.«
    Die freundschaftliche Geste schien den anderen zu besänftigen, und Darcio half Reule beim Aufstehen. Kein einfaches Unterfangen, denn Reule wog um einiges mehr als der schlanke Mann. Doch gleich darauf spürte er, wie Rye Reule unter der anderen Achsel stützte.
    »Chayne?«, fragte er.
    »Wir wissen erst etwas, wenn wir ihn zurückgebracht haben. Der Apotheker wird uns ins Bild setzen«, sagte Rye leise.
    »Geh, hilf Delano mit Chayne. Mir geht es so weit gut«, wies er Rye an. Rye zögerte nur eine Sekunde, bevor er nickte und das tat, was der Rudelführer ihm befohlen hatte.
    Reule, der sich wieder gefangen hatte, lenkte seine Konzentration weg von den ängstlichen, reglosen Schakalen, die noch am Leben waren, und den lauten Gedanken seiner Rudelgefährten. Es war nicht schwer, sie auf den Kummer zu richten. Nachdem er sein Sehvermögen erneut darauf eingestellt hatte, eine Wärmequelle auszumachen, suchte er das Haus langsam ab. Er befand sich im mittleren Stock des Gebäudes, und sie war ganz in der Nähe. Vielleicht hatte er sie beim ersten Mal für einen Schakal gehalten, doch wegen ihrer tiefen Empfindungen konnte sie keiner sein.
    Doch niemand im Haus außer seinem Rudel lief auf zwei Beinen. Er blickte noch einmal nach oben und bemerkte, dass es ein weiteres Stockwerk gab. Und dort, in der
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