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Gabe des Blutes

Gabe des Blutes

Titel: Gabe des Blutes
Autoren: Jacquelyn Frank
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nicht einmal stark genug war, um den Kopf zu heben, geschweige denn zu fliehen. Die Schakale hatten sich einen Spaß daraus gemacht, ihn zu foltern.
    Diesmal war das Fauchen, das Reule ausstieß, so heftig, dass es von den Wänden des Raums widerhallte. Seine Augen verwandelten sich von Nussbraun in reflektierendes Grün, als er sich duckte und seine Fangzähne ausfuhr. Sein Rudel, einschließlich Darcio, die zu ihm gestoßen waren, ahmten das Geräusch nach und auch die raubtierhaften Bewegungen. Reule lächelte beinahe, als er ein fünftes Fauchen hörte, das leise vom Stuhl in der Mitte des Raums kam.
    Schakale in der Defensive waren allerdings kein leichtes Ziel. Die schlanken Gestalten der Schakale waren wie geschaffen für schnelle Bewegungen, ihre Haut war so glatt, dass sie beinahe schlüpfrig war. Man konnte unmöglich mit ihnen ringen. Die raffinierten Wesen konnten sich drehen und zuschlagen, bevor man es überhaupt sah. Misstönendes Fauchen und provozierendes Lachen waren aus ihrer Mitte zu vernehmen, während das Gift von ihren Fangzähnen tropfte. Sie waren bereit, ihre Gegner mit der ätzenden Verbindung zu bespucken, und anders als das lähmende Mittel von Reules Männern war das Schakalgift tödlich, wenn es durch die Haut drang; einen grausameren Tod gab es nicht.
    Doch Reule machte sich deswegen keine allzu großen Sorgen. Was ihm Sorgen machte, war die Tatsache, dass der Gefangene auf dem Stuhl zwischen den Schakalen und seinen Rudelgefährten war. Wenn man ihn noch nicht vergiftet hatte, würde der Feind womöglich die Gelegenheit ergreifen, bevor sie ihn stoppen konnten. Da kein Gegenmittel bekannt war, war das Reules größte Sorge. An den Augen des Schakals, der ihm gegenüberstand, erkannte er, dass sein Feind sich dessen wohlbewusst war.
    Im Allgemeinen waren Schakale die mächtigsten Empathen aller bekannten Spezies in der Wildnis, und nur Reules Spezies war stark genug, sich gegen sie zu wehren. Doch als ein Mann mit besonderen Fähigkeiten hatte er gelernt, dass damit ein besonderes Gespür einherging. Das hatte sich an genau diesem Abend gezeigt, als er von der übermächtigen Trauer eines Fremden überrascht worden war. Hatten diese Empathen die Angstschreie ebenfalls gehört? Er wusste, dass es kein Schakal war, der so empfand, denn auch wenn die Schakale sämtliche Gefühle empfinden konnten, zu denen Wesen fähig waren, waren sie nicht dazu in der Lage, diese selbst hervorzubringen. Bestimmt verstanden sie deren wahre Bedeutung nicht. Es war eine schreckliche Ironie, denn das machte sie zu grausamen Ungeheuern; Ungeheuern, die Schadenfreude empfanden und sich an den tiefen Gefühlen anderer ergötzten. Wie Gefühlen, die durch Folter, Vergewaltigung oder durch Dinge hervorgerufen wurden, die Reule sich gar nicht vorstellen wollte.
    Diese Information bescherte Reule einen Vorteil. Er war der fähigste Sensor seit Bestehen seines Volkes. Er würde jede Wette eingehen, dass diese primitiven, nicht sesshaften Schakale noch nie jemandem wie ihm begegnet waren. Das war sein Vorteil, und es würde den Rudelgefährten retten, der diesen ruchlosen Scheusalen in die Hände gefallen war.
    Wenn man bedachte, dass andere sein Volk für die niederste aller Rassen hielten.
    Reule schickte seinen Rudelgefährten eine Emanation, damit sie sich bereit machten, einschließlich einer Ermunterung für denjenigen, der sich in der Mitte befand und der kaum mehr bei Bewusstsein war. Dann löste er den Schutzwall um seinen Verstand, um die verborgene Kraft zu entfesseln.
    Diesmal war er auf den Schmerz, der ihn traf, besser vorbereitet, aber dennoch war er beinahe allesverzehrend. Es war genau die Art von Emotion, an der sich ein Schakal ergötzen würde. Er hätte das ohnehin schon übermächtige Gefühl noch verstärken und seine Feinde damit überschütten können, doch Reule verwarf die Idee gleich wieder. Die tiefe Trauer hatte etwas viel zu Persönliches und Unschuldiges. Sie an die Schakale weiterzugeben fühlte sich an wie Verrat. Reule verstand sein Widerstreben nicht, doch er hatte keine Zeit, in sich hineinzuhorchen.
    Mit einem Blick erteilte er Rye einen Befehl, und der nickte und näherte sich einem der reglosen Schakale. Der Feind lag hilflos da, doch er war bei Bewusstsein und starrte nach oben, während der Eindringling ihn mit einem boshaften kleinen Lächeln bedachte, das einen Satz schimmernder Fangzähne zeigte. Mit einem bedrohlichen Fauchen griff Rye zu der Scheide, die an seinem
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