Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts
Autoren: Nadine Kühnemann
Vom Netzwerk:
aufhielt. Man würde sofort wissen, dass jemand auf die Terrasse gegangen war. Folglich würde man mich finden und bestrafen.
    Panisch wandte ich den Blick nach allen Seiten. Einzig die Tür zum Arbeitszimmer zweigte vom Flur aus ab, und ich wusste, dass sie verschlossen war. Zudem wären die Prügel, die ich am Nachmittag bezogen hatte, die reinste Freude gewesen, verglichen mit dem, was mich erwartete, wenn man mich im Arbeitszimmer erwischte.
    Die Schritte auf der Treppe näherten sich. Zwei Stiefelpaare, dazu gedämpfte Stimmen. Eine davon gehörte zu Breanor, was mir einen zusätzlichen Schreck einjagte.
    Tollkühn stürzte ich der Treppe entgegen. Vater und die andere Person waren noch nicht um den letzten Treppenabsatz herum, also machte ich einen Satz zur Seite und drängte mich in eine winzige Nische zwischen dem Treppengeländer und der Wand. Das Licht der Petroleumlampen im Flur reichte kaum bis hierher. Wenn ich großes Glück hatte, würden sie an mir vorübergehen und mich nicht bemerken.
    Ich kauerte auf dem Boden und öffnete die Augen einen Spaltbreit, als die beiden Stiefelpaare den obersten Treppenabsatz erreichten. Mich zu bewegen oder auch nur den Kopf zu heben, traute ich mich nicht. Die Männer blieben am Ende der Treppe stehen, kaum eine Armlänge von mir entfernt. Schweiß rann mir aufgrund des dicken Wintermantels den Rücken hinab.
    »Breanor, ich mache mir ernsthaft Sorgen.« Es war die Stimme von Jonnef, einem guten Freund meines Vaters und ebenfalls Mitglied der Weißen Liga. Ich hatte nie viel mit ihm zu tun, aber er lächelte immer, wenn sich unsere Wege zufällig trafen. »Erst gestern habe ich von einer Schießerei am Hafen gehört«, fuhr er fort. »Wenn das so weitergeht, verkommt die ganze Stadt.«
    »Es mangelt uns eben an Personal«, sagte Breanor. Er sprach leise, als wollte er nicht belauscht werden. Das oberste Stockwerk des Perlenturms war unzweifelhaft der beste Ort, um ungestört zu sein. Das hatte ich bis gerade auch noch gedacht. »Vielleicht sollte jemand König Castios darauf hinweisen.«
    Ich hörte, wie Jonnef die Luft zwischen seinen Zähnen ausstieß. »Breanor, ich weiß, du würdest niemals etwas Schlechtes über unseren König sagen, aber wenn er sein Geld lieber für unsinnigen technischen Schnickschnack ausgibt, anstatt ins Militär zu investieren, sollten wir uns nicht wundern, wenn die Stadt bald von kriminellen Gangs regiert wird.« Nun senkte auch er die Stimme.
    Eine kurze Pause folgte. »Es liegt nicht bloß am Geld, auch meldet sich kaum noch jemand zum Soldatendienst«, sagte Vater.
    »Wer möchte diesen unterbezahlten Job auch freiwillig machen?« Obwohl Jonnef beinahe flüsterte, verlieh er seinen Worten Nachdruck. »Alle wollen in die Liga aufsteigen, weil die Leute ein völlig falsches Bild von uns haben. Sie sehen nur den Reichtum und den Luxus, aber wir wären nichts ohne die einfachen Soldaten. Was sollen wir mit den ganzen Offizieren, wenn es niemanden mehr gibt, den sie befehligen können?«
    »Vermutlich hast du recht.« Auch wenn ich sein Gesicht nicht sehen konnte, wusste ich, dass Breanor verärgert die Lippen zusammenpresste. Ich kannte ihn gut genug, um seine Mimik einschätzen zu können. »Wir sollten unsere Bedenken noch einmal dem König vortragen. Erst heute habe ich die Baustelle unten am Niral besucht. Es ist wirklich zu teuer. In meinen Augen verschlingt die Brücke Geld, das man besser in die Verteidigung unserer Stadt gesteckt hätte. Ich höre immer öfter von Menschen, die allmählich unruhig werden. Manche munkeln sogar, sie planen eine Revolution.«
    »Das ist mir auch zu Ohren gekommen. Es wäre eine Katastrophe, wenn das wahr wäre.«
    Breanor schnaubte. »Und dass mein Sohn heute einen ihrer Sprösslinge erschlagen hat, rückt die Liga nicht gerade in ein besseres Licht.«
    Heißes Blut stieg mir in den Kopf. Am liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten, aber dazu hätte ich mich bewegen müssen.
    »Vielleicht war es keine gute Idee, Fyn aufzuziehen.« Vater seufzte. »Ich kann es nicht mehr rückgängig machen.«
    Ich spitzte die Ohren. Was hatte er damit gemeint? Ich wusste um meine unbekannte Abstammung. Darum hatte Vater nie ein Geheimnis gemacht. Ich war nur ein Findelkind, das man als Säugling auf der Treppe zum Perlenturm gefunden hatte, in einer Winternacht wie dieser.
    »Wir sind das Risiko eingegangen, also müssen wir es nun zu Ende bringen«, sagte Jonnef. Eine Pause folgte. »Was machen die Studien des
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher