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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic
Autoren: William Gibson
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klammerte sich mit einer Hand fest, während Elmore, die Netzkappe, die von Chevettes Freundin irgendwie bequatscht worden war, sie alle zu fahren, auf der oberen Ebene der Brücke in Richtung Bryant zurückbretterte. Rydell hatte hier noch nie ein Fahrzeug gesehen, abgesehen von Fahrrädern, und er vermutete, dass sie unter normalen Umständen nicht sehr weit gekommen wären.
    Dies waren jedoch keine normalen Umstände, und es war auch alles andere als ein normaler Ort. Die Leute quollen aus den oberen Bereichen der Besetzergemeinschaft wie Ameisen aus einem zerstörten Nest, und Rydell fiel auf, mit welcher Ruhe sie das taten. Das waren in gewissem Sinn keine Zivilisten, sondern abgehärtete Überlebenskünstler, die es gewohnt waren, auf sich selbst gestellt in einer Gemeinschaft von Menschen gleichen Schlages zu leben. Ein paar Leute schrien und liefen wahrscheinlich in die falsche Richtung oder im Kreis, aber aus dem sich rasch verändernden Blickwinkel des bockenden, holpernden ATV war das schwer zu erkennen. In erster Linie vermittelten sie Rydell einen Eindruck von Entschlossenheit; sie hatten festgestellt, dass die Brücke brannte, und verließen sie. Die meisten schienen etwas zu tragen. Ein paar trugen kleine Kinder, weitaus 332
    mehr trugen Haushaltsgegenstände, und Rydell hatte mindestens drei mit Waffen gesehen.
    Elmores Stil, sich seinen Weg durch die Menge zu bahnen, war überaus direkt; er raste auf jeden los, der ihm in die Quere kam, ließ eine nervtötende kleine Hupe ertönen, die vermutlich sowieso niemand hörte, und baute darauf, dass die Leute schon beiseite springen würden. Was sie auch taten, wenngleich sie es manchmal nur mit knapper Not schafften. Dann streifte das rechte Hinterrad des ATV schließlich einen Stapel gelber Gemü-
    sekisten aus Plastik, so dass diese auf zwei stark tätowierte Typen mit Lederhosen und farbbespritzten Bauarbeiterstiefeln fielen.
    Elmore musste voll auf die Bremse treten, und Rydell sah, wie Chevette herunterflog; er konnte sie nicht fest halten, weil er die Chain Gun in der Hand hielt, die ihr am nächsten war, und sie nicht weglegen konnte.
    Blockiert von dem Haufen leerer gelber Kisten, knallte Elmore den Rückwärtsgang rein, setzte ungefähr anderthalb Meter zu-rück, gab Vollgas und pflügte in die Kisten und die Lederhosen-männer, die prompt lateral wurden, über den Kistenhaufen angestürmt kamen und Elmore packten, der auf Rydell nicht gerade den Eindruck einer Kämpfernatur machte. »Finger weg von ihm«, rief Chevettes Freundin und versuchte zu verhindern, dass sie zusammen mit dem Fahrer vom Sattel gezerrt wurde. Rydell hob die Chain Gun und hielt sie einem der Tätowierten unter die Nase.
    Der Bursche blinzelte sie an, sah Rydell in die Augen und wollte auf ihn losgehen, aber Rydell brüllte aus einem Cop-Reflex heraus: »LAPD! Runter auf den Boden!« – was unter den gegebenen Umständen überhaupt keinen Sinn ergab, aber offenbar funktionierte. »Das ist eine Schusswaffe«, fügte er hinzu und dachte an Fontaines Hinweis, dass die Chain Gun alles andere als zielgenau war.
    »Ihr habt sie doch nicht mehr alle«, fauchte einer der Tätowierten – nackte, kunstvoll verzierte Brust –, während er sich über die gelben Kisten davonmachte. Das Licht fing sich in einem runden 333
    Stahlnagel in seiner Unterlippe. Sein Partner war dicht hinter ihm.
    Rydell sprang ab und fand Chevette, die gerade versuchte, sich aus einem Haufen zerquetschter Auberginen oder etwas Ähnlichem zu befreien. Als er sich wieder zum ATV umdrehte, sah er, wie eine Frau mit Bürstenschnitt und prallen Bizeps sich auf Elmore stürzte, der in die Kisten kippte.
    »Wo ist Tessa?«
    »Keine Ahnung«, sagte Rydell und nahm Chevette an die Hand.
    »Komm mit.« Sobald sie von dem ATV weg waren, das ohnehin nicht mehr lief, dämmerte es Rydell, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte. Fast auf dem ganzen Weg von Fontaines Laden hierher waren die Leute Richtung Bryant gerannt, aber nun sah er, dass sie wieder zurückkamen, und jetzt stand Furcht in ihren Gesichtern. »Ich glaube, es brennt da vorn, an der Rampe«, sagte Rydell. Man konnte jetzt auch den Rauch sehen, und Rydell bemerkte, wie rasch er dicker wurde.
    »Wo ist Tessa?«
    »Haben wir verloren.«
    Ein junges Mädchen kam schreiend und mit brennendem Hemd aus Richtung Stadt angerannt. Rydell stellte ihr ein Bein, gab Chevette die Chain Gun und bückte sich, um das Mädchen umzudrehen und die Flammen zu ersticken. Das
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