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Fummelbunker

Fummelbunker

Titel: Fummelbunker
Autoren: Sonja Ullrich
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»Das ist nicht witzig! Ihr paranoider Hilferuf aus dem Krankenwagen reicht für mindestens drei Anklagepunkte. Und nach Erfurt und Winnenden sind die Richter nicht mehr so gnädig mit Leuten, die mit einer Knarre herumfuchteln!«
    Ich musste nach Luft schnappen, was die Aufmerksamkeit einiger Kaffee trinkender Ärzte auf mich zog.
    »Also. Was hat Pankowiak Ihnen erzählt?«
    »Ich verstehe nicht recht.«
    Er brüllte weiter. »Hören Sie, ich werde mir nicht die Tour vermasseln lassen. Nicht von Ihnen! Sie haben schon genug angerichtet. Etwas mehr Kooperation von Ihrer Seite wäre durchaus angebracht.«
    »Was wollen Sie damit sagen? Was habe ich angerichtet?«
    »Das wissen Sie nicht? Dann werfen Sie doch mal schleunigst einen Blick auf die Intensivstation.«
    Mein Atem wurde schwerer.
    »Also. Was hat Pankowiak ausgeplaudert, dass er eine Kugel verdient hat? Und was zum Teufel haben Sie davon an den schmierigen Schalkowski weitergegeben, dass er unbedingt eine Durchsuchung im Casino beantragen will?«
    Mir glitt das Handy aus der Hand und es fiel beinahe in meine heiße Schokolade.
    »Hallo?«
    »Sie kennen die Verbindung zu dem Casino?« Ich war völlig perplex.
    Er grummelte etwas Unverständliches. »Halten Sie uns Schalkowski vom Leib, verstanden? Wir können hier keinen ambitionierten Sesselpupser gebrauchen. Das ist mein Fall!«
    Mit einem leisen Piepsen gab der Akku auf und ich warf das Telefon auf den Tisch. Die Zahnräder in meinem Kopf liefen auf Hochtouren und verursachten klopfende Kopfschmerzen. Was wusste Ansmann über das Casino und wieso glaubte er, dass Gregor etwas ausgeplaudert haben könnte? Steckten die beiden etwa unter einer Decke? Bei dem Gedanken bekam ich Sodbrennen. Schlimm genug, dass Gregor ein Krimineller war. Schlimmer noch, wenn die Polizei mit drinsteckte.
     
    Von Ungeduld getrieben suchte ich eine halbe Stunde später die Intensivstation auf. Der Fahrstuhl quälte sich in die vierte Etage, doch bereits an der Durchgangstür wurde ich von einer Krankenschwester aufgehalten. Sie sah auf mein blutverschmiertes T-Shirt.
    »Brauchen Sie Hilfe?«
    Genervt schüttelte ich den Kopf. »Ich bin zu Besuch hier.«
    »Besuch ist hier nicht gestattet«, sagte sie sofort. »Wen suchen Sie?«
    Ich nannte seinen Namen, doch sie wusste ihn nicht einzuordnen.
    »Den Nazi«, präzisierte ich schließlich und biss mir auf die Lippe.
    »Ach der«, tat sie ab. »Der ist vor einer Stunde verlegt worden. In die Innere, eine Etage tiefer.«
    Ungeschickt mühte ich mich die Treppenstufen hinunter. Der Verband am Unterschenkel war durch den Regen stark beansprucht worden; er sah spröde aus und hatte eine gräuliche Farbe angenommen. Der Wadenmuskel hingegen fühlte sich wie ein tauber Klumpen Fleisch an und machte nicht den Anschein, als würde er sich aktiv am Heilungsprozess beteiligen wollen.
    Die Station der Abteilung für Innere Medizin verwies mich auf ein Zimmer am Ende des Flures und machte Hinweise, in welcher Etage ich für einen Verbandswechsel vorstellig werden müsste. Ich schlurfte und zog das Bein wie ein lahmender Käfer hinter mir her. Mein Herzschlag beschleunigte sich, als ich mich dem Zimmer näherte. Die Tür war verschlossen. Ich klopfte, aber niemand antwortete. Ich trat trotzdem ein.
    Gregor teilte sich sein Zimmer mit einem Teenager; ich schätzte ihn auf 17 bis 19. Er war sehr blass im Gesicht, seine Haut schimmerte blau. Er saß aufrecht im Bett, seine nackte Brust war verkabelt. In den Ohren steckten Kopfhörer, der Fernseher war eingeschaltet und stumm. Als er mich sah, grinste er wie ein anthropomorpher Breitmaulfrosch.
    Gregor lag, wie ich ihn auf der Intensivstation verlassen hatte. Er schien zu schlafen, seine Haut hatte etwas mehr Farbe bekommen. Seine Beatmungshilfe war auf einen einzelnen transparenten Schlauch dezimiert worden. Ich setzte mich an sein Bett und erschrak, als er plötzlich die Lider nach oben klappte.
    »Schön. Du bist noch da«, sagte Gregor mit dünner Stimme. Seine Augen funkelten, so gut sie konnten. Ich bemühte mich um Fassung. Ich wollte nicht heulen, während er bei Bewusstsein war. Ich schielte zu dem Jungen herüber. Er saß immer noch aufrecht, war aber mittlerweile wieder ganz auf das Fernsehprogramm konzentriert.
    »Ja. Und du auch«, entgegnete ich und versuchte, den Heulkloß wieder runterzuschlucken. Dann spürte ich seinen Daumen, wie er über meinen Handrücken fuhr.
    »Geht es dir gut?«, fragte er. »Du siehst ganz schön beschissen
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