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Fummelbunker

Fummelbunker

Titel: Fummelbunker
Autoren: Sonja Ullrich
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Bein? Sie sagten, es wäre etwas mit Ihrem Bein!« Das rotierende Blaulicht hinter uns brachte seine grauen Strähnen zum Leuchten. Er war verärgert in der Erwartung, dass man ihm einen Streich gespielt und ihn umsonst hierher geschickt hatte. Ich packte ihn am Arm und zerrte ihn in die Garage. Mittlerweile waren weitere Sirenen im Anmarsch und aus irgendeinem Grund wurmte es mich, dass ich nicht einschätzen konnte, woher sie kamen.
    Der Zuckowski-Verschnitt blieb hinter der Metallschiene am Boden der Garage stehen.
    »Grundgütiger!«
    Das Horn des nahenden Krankenwagens war mittlerweile so laut, dass ich schreien musste: »Er atmet noch!«
    Ich lief voraus, der Arzt eilte hinterher und tastete als Erstes Gregors Brust ab. Es dauerte kaum eine Sekunde, bis er das Einschussloch bemerkte.
    »Wir müssen den Pullover aufschneiden«, erklärte er mir und zog aus einer Innentasche seines Kittels eine winzige Schere heraus. Er durchschnitt den Saum über Gregors Bauchnabel, trat einen Schritt zurück und riss mit beiden Fäusten den Stoff auseinander. Gregors Arme flogen in die Luft und sein Kopf wackelte wie der einer Puppe. Es war ein schrecklicher Anblick und ich klammerte hilflos die Arme um meinen Körper.
    Dann hörte ich die Schritte zweier Leute, als sie über den Schotter liefen. »Meine Fresse«, sagte einer von ihnen.
    Die beiden jungen Sanitäter standen vor dem Parkbau. Auch sie mieden es, die Metallschiene zu überqueren. Der Rücken des Notarztes begann derweil Meldung zu machen. Seine Stimme war laut, beinahe militant.
    »Einschuss im Lobus inferior.« Behutsam legte er seine Hand auf Gregors Schulter und tastete den Rücken ab. »Kein Austritt. Unterlappenbronchien wahrscheinlich unbeschädigt. Hypovolämie.« Mit dem Daumen schob er Gregors Lid nach oben und beleuchtete seine Pupille mit einer fingerdicken Taschenlampe. »Verdacht auf hypovolämischen Schock. Der Mann ist nicht bei Bewusstsein. Ich brauche zwei Zugänge und einen Druckverband.« Er drehte sich zu den Männern um und brüllte: »Sofort!«
    Die beiden galoppierten im Gleichschritt davon und zogen ihre Trage aus dem Transporterraum des Krankenwagens. Einer von ihnen schubste sie laufend über die Straße, sodass sie beinahe zur Seite kippte. Der andere überholte ihn mit einer geschulterten Tasche und einem Koffer, der im Blaulicht silbrig glitzerte.
    Zu dritt hievten sie Gregor auf die Trage. Seine Arme hingen schlapp herunter, sein Mund war durch die ruckartige Bewegung leicht geöffnet. Sie rupften ihm den zerrissenen Pullover vom Körper, wickelten ihn mumienhaft in einen Verband und stachen ihm in jeden Arm eine Infusionsnadel durch die Haut. Zwischendurch legte ein Sanitäter seine Hand über Gregors Kehle und suchte offenbar nach seinem Puls. Sein Blick war abgeklärt und ich glaubte zu bemerken, dass er das Hakenkreuz hinter Gregors Ohrläppchen mit einem Naserümpfen zur Kenntnis nahm.
    Ich bestand darauf, im Krankenwagen mitzufahren, doch die Ärzte wollten es nicht. Daher beobachtete ich vom Fuße des Rettungswagens, wie sie die Trage über den gräulichen Boden schoben.
    Der Fahrer schnappte sich das Funkgerät und begann, irgendwelche Menschen am anderen Ende der Stadt zu instruieren: »Steckschuss in der Lunge. Bluttransfusion vorbereiten. Das wird kein Zuckerschlecken, Freunde. Wir sind in zehn Minuten da.« Er starrte mich an. »Alles in Ordnung?«
    Nichts war in Ordnung. Ich lauschte dem Funkgerät. Stimmen sprudelten wie geschüttelte Kohlensäure aus dem Lautsprecher und machten mich ganz kirre.
    »Ich muss mitkommen«, sagte ich dann.
    »Hier ist kein Platz für Sie«, antwortete der Arzt. »Tut mir leid.«
    Wie von Geisterhand schob sich meine Hand unter mein T-Shirt und zog die Beretta aus dem Hosenbund. Sie hatte andere Pläne als mein Verstand, der es mit gutem Zureden versuchen wollte. Doch mir blieb weder Zeit noch hatte ich dafür Nerven übrig. Völlig fassungslos starrte der Trupp auf den Lauf.
    »Ich muss mitkommen«, wiederholte ich und setzte einen Fuß auf den Boden des Transporters. Meine Pumpe pochte mir bis unter die Ohrläppchen. »Rufen Sie die Polizei. Sagen Sie, Sie werden mit einer Waffe bedroht. Sie sollen alle verfügbaren Leute zum Krankenhaus schicken. Und nun kümmern Sie sich um ihn!« Ich zeigte mit der Waffe auf Gregor. Meine Hand schlotterte.
    Der Sanitäter zog die Türen zu, nicht ohne einen respektvollen Abstand zu mir zu halten. Ich hasste es, ihnen Angst einzujagen und vielleicht
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