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Fuer Wunder ist es nie zu spaet

Fuer Wunder ist es nie zu spaet

Titel: Fuer Wunder ist es nie zu spaet
Autoren: Emma Hamberg
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knöpft ihren schwarzen
Frühjahrsmantel auf. Ein schwarzer Frühjahrsmantel. Klingt nicht besonders
fröhlich. Aber Karin trägt immer Schwarz. Frühling, Sommer, Herbst und Winter.
Fröhlich oder traurig, Hütte oder Schloss. Schwarze hohe Stiefel, enge
schwarzblaue Jeans, schwarzes Blüschen und ein schwarzer Frühjahrsmantel.
Sündhaft teuer war der. Sie hat ihn entdeckt, als sie das letzte Mal in Berlin
war, er hing in einer kleinen Boutique und schrie: Karin, bitte kauf mich!
    Es macht Spaß, anderen davon zu erzählen. Danke für das Kompliment,
den hab ich mir übrigens in Berlin gekauft. Klingt ziemlich oberflächlich und
albern. Das ist Karin voll und ganz bewusst. Dass es mies ist, so anzugeben.
Aber tief innen drin fühlt es sich gut an, zeigen zu können, dass sie
herumkommt, dass sie nach Berlin fährt, dass sie sich teure und schicke
Frühjahrsmäntel leisten kann, dass sie ein spannendes Leben führt, dass alles
gut läuft. Manchmal ist sie noch peinlicher. Zum Beispiel, wenn sie erzählt,
dass sie den Frühjahrsmantel entdeckt hat, als sie gerade in Berlin war, um ein
paar Freunde zu besuchen, die in einem Künstlerkollektiv leben. Und dann fragt
ihr Gegenüber neugierig nach diesen Freunden, und Karin erzählt weiter, dass
sie in einer alten Villa aus dem 19. Jahrhundert im Ostteil der Stadt wohnen.
Sie ist längst keine Bruchbude mehr, sondern ein Haus, das von Kreativität und
großartiger Kunst nur so überschäumt. Karin wird von ihrer eigenen Erzählung mitgerissen.
Das fühlt sich alles so toll an, als wäre das alles wahr. Sie sieht die
gemeinsamen Abendessen vor sich, gute Weine, nicht enden wollende Gespräche,
vielleicht eine heiße Liebesgeschichte mit einem Mann, der irgendeinem
Rockmusiker ziemlich ähnlich sieht (aber frisch gewaschen ist), ungestüme Küsse
in dämmrigen Clubs, lautes Gelächter, das auf den Boulevards widerhallt.
    Denn eigentlich ist sie in Berlin allein unterwegs. Besucht
Ausstellungen, sieht ein paar Theaterstücke und geht shoppen, ohne das mit
jemandem zu teilen. Sie ist fast immer allein. Nicht nur in Berlin.
    Davon weiß keiner was. Karin verleugnet ihr Alleinsein, sie schiebt
sehr feine Vorhänge zwischen die Einsamkeit und all die aufregenden Jobs, die
sie hat. Wenn sie auf der Seite mit den aufregenden Jobs steht und davon
spricht, dann ahnt man die Einsamkeit nicht, die hinter dem Vorhang lauert.
    Obwohl. Sie ist nicht wirklich einsam. Sie hat schon Freunde. Oder
Kollegen. Mit denen sie sich das Büro teilt. Sie gehen zusammen Mittag essen
und Kaffee trinken, und manchmal ist auch ein Abendessen drin. Und sie hat Simone,
ihre wunderbare Tochter. Das sagen alle. Aber die ist erwachsen. Zwanzig Jahre
alt und geht auf die Schauspielschule, wohnt mit ihrem Freund zusammen und
scheint ein großes Bedürfnis zu haben, allein zu sein. Die Nabelschnur zu
kappen. Und das ist doch nur natürlich. Vollkommen natürlich.
    Karin klappert mit ihren Stiefeln die Götgatan entlang zum
Medborgarplatsen. Sie Sonne brennt stur vom Himmel, auf sie und den schwarzen
Frühjahrsmantel aus Berlin. Es wird warm. Karin knöpft den Mantel auf und lässt
die Schöße wie kleine schwarze Flügel hinter sich herflattern. Das rote
Seidenfutter glänzt. Sie sieht gut aus, wie sie da durch den angesagtesten
Stadtteil Stockholms geht. Das braune Haar ist dick, glänzend und gut
geschnitten, die Augenbrauen perfekt gezupft, und der dunkle pflaumenfarbene
Lippenstift sitzt korrekt – bei ihr wird man vergeblich nach Lippenstiftflecken
auf den Zähnen suchen.
    Die perfekte Frau schlendert routiniert in die Söderhallarna, die
modernen Markthallen. Blumen verbreiten einen angenehmen Duft, von der Decke
hängen geräucherte Lammschinken, Obst, das sanft aus Dampfdüsen befeuchtet
wird, Bonbons in Spitztüten, Tees in hübschen Päckchen, frisches Brot und
gestopfte Lammwürste. Karin kauft ein fertiges Abendessen für eine Person: ein
Hacksteak, eine Kelle Kartoffelbrei und einen Löffel Erbsen, dazu eine Flasche
Pinot noir. Was vom Wein übrig bleibt, kann sie zum Kochen verwenden.

     
    8
    D as heißt, du fährst nächsten Dienstag
nach Kopenhagen?«
    »Genau.«
    »Und dir ist klar, dass dann auch das herzförmige Frühlingsscharbockskraut
mitmuss, oder? Und vergiss nicht die zusätzliche Kiste Kobralilien! Und diesen
Mittwoch steht doch diese Ausstellung in Östersund an, die wollten Darjeeling-Bananen.
Bitte doch Sanna, sie raufzubringen, dann kannst du so lange alles andere
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