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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita
Autoren: Polina Daschkowa
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vergiftet hat?«
    »Das kann ich Ihnen vorerst nicht sagen.«
    »Ermittlungsgeheimnis?«
    »Vollkommen richtig.« Der Hauptmann lächelte.
    Aus dem Tagesbericht erfuhr er, daß die Malerin Resnikowa von einem Auto überfahren worden war.
    Der schwarze oder dunkelblaue Ford war vom Unfallort geflüchtet. Die Autonummer hatte sich niemand gemerkt. Der Unfall hatte
     sich unweit des Hauses von Rakitins Eltern ereignet, nur anderthalb Stunden bevor Leontjew dort eingetroffen war.
    Nun war er sicher, daß er den netten Rothaarigen bald finden würde, obwohl er nichts weiter in der Hand hatte als ein Foto.
     
    Zwischen ihnen lagen nur einige Dutzend Meter, und es wurden rasch weniger. Nika begriff auf einmal, daß sie statt einer höflichen
     Ermahnung wie: »Veronika Sergejewna, Sie verhalten sich unvernünftig«, diesmal einen Schuß hören würde. Das heißt, hören würde
     sie nichts, die Pistole hatte bestimmt einen Schalldämpfer. Das kurze Plopp würde im Bahnhofslärm untergehen, im Geschrei
     der Menge, im Dröhnen des einfahrenden Zuges, in dem Kostik verschwinden würde.
    Sie mußte runter vom Bahnsteig, mußte in der Enge des Kleidermarktes vorm Bahnhof untertauchen. Dort würde er nicht mehr so
     leicht auf sie zielen können.
    Auf der Treppe rissen einer Frau die Henkel ihrer Einkaufstüte, der Inhalt fiel heraus, und auf der untersten Stufe bildete
     sich ein Stau. Nika rannte zum nächsten Abgang und befand sich plötzlich auf einer Freifläche, allein mit Kostik. Sie sah
     ihn in die Jackentasche greifen. Ihr wurden die Knie weich, der Schrei blieb ihr in der Kehle stecken, wie in einem Alptraum.
     Nika kniff die Augen zu, und als sie sie wieder öffnete, erblickte sie neben Kostik zwei Milizionäre.
     
    »Sergeant Timofejew.« Der blutjunge Uniformierte legte die Hand an die Mütze. »Ihre Papiere bitte.«
    Vor ein paar Minuten war ein merkwürdiger dünner Kahlkopf in abgewetzter Fliegerlederjacke auf die Bahnmilizionäre zugestürzt
     und hatte heiser auf sie eingeredet: »Sie müssen den Kerl da festnehmen. Ich habe sein Foto im Schaukasten der Miliz gesehen
     und auch im Fernsehen in den Verbrechensmeldungen. Das ist er, eindeutig, er istein gefährlicher Verbrecher. Ich habe ihn erkannt. Bitte, schnell, sonst bringt er hier noch jemanden um …«
    Die letzten Worte waren vielleicht ein bißchen übertrieben, aber die beiden Sergeanten beeilten sich tatsächlich, als sie
     den quadratischen kurzgeschorenen Kopf und die muskelbepackten Schultern sahen. Sollte sich herausstellen, daß nach dem Kerl
     tatsächlich gefahndet wurde, winkte ihnen eine hübsche Geldprämie.
    »Was?« fragte der Quadratschädel, als sei er bei einer wichtigen Beschäftigung gestört worden.
    »Ihre Papiere«, wiederholte Timofejew.
    »Gleich …«
    Der zweite Sergeant warf einen Blick auf die rechte Jackentasche, aus der die Hand des Mannes soeben geglitten war. Sie war
     ziemlich ausgebeult, und als der Sergeant sich ein Stück vorbeugte, erkannte er einen Pistolengriff.
    Gut, daß sie zu zweit waren. Der Kerl hatte Kräfte wie ein Stier. Sie konnten ihn nur mit Mühe überwältigen und ihm den Arm
     auf den Rücken drehen, als er erneut in die Tasche greifen wollte. Zwei weitere Milizionäre kamen den Bahnsteig entlanggerannt.
     Der Festgenommene fluchte leise und spuckte durch die Zähne.
    Als er abgeführt wurde, bemerkte Sergeant Timofejew ganz in der Nähe ein junges Mädchen, das mit dem Rücken an das Bahnsteiggitter
     gepreßt stand. Ihr Gesicht hob sich aus der Menge der anderen Neugierigen durch eine besondere, durchsichtige Blässe ab. Die
     riesigen Augen waren erstarrt. Wahrscheinlich war sie zum erstenmal Zeugin einer echten Festnahme. So etwas hatte sie bislang
     bestimmt nur im Kino gesehen.
     
    Der Parteiboß des Gebiets Sinedolsk, Pjotr Russow, hatte seinem geliebten unehelichen Sohn Grischa ein anständigesErbe hinterlassen. Geld, Beziehungen, eine Wohnung in Moskau, eine Wohnung in Sinedolsk, vor allem aber die Goldmine am Fluß
     Moltschanka, in der Nähe der Siedlung Gelbe Schlucht.
    Die Mine galt als ausgebeutet. Das letzte wenige Gold hatten im Krieg halbverhungerte Häftlinge gefördert, übriggeblieben
     waren nur Abraumhügel am Flußufer, Sand- und Kieselhaufen und drei morsche Baracken.
    Anfang der achtziger Jahre wurden an diesem verlassenen Ort zufällig mehrere große Nuggets gefunden. Wer sie gefunden hatte
     und vor allem, wohin der Glückliche damit verschwunden war, blieb ein
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