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Für hier oder zum Mitnehmen?

Für hier oder zum Mitnehmen?

Titel: Für hier oder zum Mitnehmen?
Autoren: Ansgar Oberholz
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Strukturen in erwachsenen, echten Unternehmen.
    Heiseres, mir wohlbekanntes Gelächter schallt aus dem Weinbergspark herüber. Da sitzen Fred und der General, eingewickelt in alte Decken, mit Bierflaschen in der Hand. Zwei Frauen sind bei ihnen, sie folgen gebannt ihren Erzählungen. Vermutlich geht es auch um ihren Feldzug des gestrigen Tages.
    Viele Blätter liegen schon auf dem Bürgersteig. An den Weinbergspark hatte ich gar nicht gedacht, als ich mich fragte, woher die Blätter am Rosenthaler Platz kommen könnten.
    Ich erwische mich bei dem Versuch, nicht auf die Fugen zwischen den Platten des Bürgersteiges zu treten. So, wie ich es früher als Schulkind immer gemacht habe. Wenn ich den gesamten Schulweg ohne Fugenberührung hinter mich brächte, wenn ich das schaffte, so käme großes Glück über mich, glaubte ich damals.
    Heute glaube ich es wohl immer noch, zumindest glaubt es ein Teil von mir.

21.
    PREMIUM-SPOT
    I ch will die Teamsitzung mit einem sehr positiven Thema beginnen. Mit dem Wiener Schnitzel. Das ist der Topseller unserer neueingeführten Mittagsangebote. Daran tragen wir alle unseren Anteil. Vielen Dank dafür.«
    Diesen Einstieg hatte ich mir vorher gründlich zurechtgelegt. Ich will die Teamsitzung am Anfang und am Ende mit etwas Erfreulichem einrahmen. Das Schnitzel ist heute Mittag, eine Woche nach meiner Militärerfahrung mit dem Gefreiten Reinhardts, zum zweiten Mal auf der Tageskarte gewesen und lief noch besser als in der ersten Woche. Ausverkauft, alle zwölf Schnitzel. Nächste Woche werde ich noch mehr besorgen.
    Ich halte die Teamsitzung im Keller ab, oben im Gastraum ist es mir zu öffentlich. An der Stelle, an der Aurinia die Geistaustreibung vorgenommen hat. Es ist die einzige etwas größere freie Fläche, die es im Keller gibt. Sie zieht Versammlungen automatisch an. Wir sitzen auf Stühlen im Kreis. Links neben mir Dolores, rechts von mir Kaja und Claire. Gegenüber hat sich Milena postiert, sie ist umsäumt von Magnus und Shanti, die beide eine Flasche Bier in der Hand halten und sich vor Milenas Gesicht zuprosten, als ich das Schnitzel erwähne. Magnus sitzt sehr nah bei Milena, deutlich näher als Shanti.
    Nach den Erfahrungen der letzten Wochen und Tage stand ich kurz davor, in meinem Unternehmen umfassendere Reformen anzugehen als Bismarck beim preußischen Staat. Am liebsten hätte ich die Torstraße wieder in Elsaß-Lothringen umbenannt. Glücklicherweise fragte ich Florian um Rat, der meine Pläne beschnitt und mich zügelte. Er befand, dass der Ansatz meiner Unternehmensführung genau richtig sei, meine Aufgabe sei es, die Grundstruktur exakt zu definieren und zu schärfen, damit die Mitarbeiter überhaupt wüssten, was erlaubt sei und was nicht. Nicht die Idee sei falsch, sondern die Umsetzung.
    »Erklär ihnen alles noch mal ganz deutlich und mach ihnen klar, dass sie es in der Hand haben, ob sich die Regeln verschärfen oder nicht. Dafür ist die Teamsitzung doch perfekt geeignet. Soll ich mitkommen?«
    Florians Angebot lehnte ich ab. Das hätte meine Restautorität endgültig vernichtet.
    Ich war froh, nicht Grundlegendes verändern zu müssen, und freute mich dank Florians Intervention wieder über meinen unternehmerischen Ansatz, den ich nun verbessern und optimieren wollte.
    »Ja, das ist aber auch absolut so lecker, das Wiener Schnitzel«, sagt Magnus. Die anderen in der Runde nicken. Alle haben das Schnitzel wohl schon gekostet. Ich nicht.
    »Habt ihr denn alle das Schnitzel schon gekostet?«
    Sie stimmen zu und freuen sich schon auf den nächsten Dienstag, an dem wieder Schnitzeltag sein wird. Mir wird klar, dass der größte Teil der Schnitzel nicht in den Verkauf und damit in den Umsatz gegangen ist, sondern in meine Mitarbeiter. Bevor sich unkontrollierte Wut in mir ausbreiten kann, fallen mir Florians Worte ein. Ich bin davon ausgegangen, dass eigentlich klar sein müsste, dass gerade das Kalbsschnitzel nicht verzehrt werden soll, erstens, damit es verkauft werden kann, und zweitens, weil es teuer im Einkauf ist. Aber gesagt hatte ich das nicht, deshalb will ich es jetzt klarstellen. Woher sollen sie es auch wissen.
    »Ihr dürft während eurer Arbeitszeit Speisen verzehren, aber bitte nicht das Schnitzel, und auch nicht die Tagesgerichte. Die bereiten viel Arbeit in der Herstellung und sind teuer im Einkauf. Außerdem kann ich sonst gar nicht einschätzen, welches Produkt läuft und welches nicht.«
    Alle sind erstaunt. Milena ergreift das
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