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Fünf

Fünf

Titel: Fünf
Autoren: Ursula Poznanski
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ausgelutschte Phrase. Doch der Mann nahm ihre Anwesenheit ohnehin kaum noch wahr. Er nickte nur geistesabwesend, den Blick unverwandt auf das Gesicht seiner Frau gerichtet, die mitten in blendendem Weiß stand und für alle Ewigkeit lachte.
     
    «Das ist der Osterhase, siehst du? Und das hier ist ein Engel, der hat gerade ein Loch in die Wolken gebohrt, darum regnet es jetzt.» Jakob hielt die Zeichnung so dicht an den Broccolitopf, dass das Papier sich im Dampf zu wellen begann. Mit sanftem Druck schob Beatrice ihn Richtung Kühlschrank, wo sie das Werk mit zwei Magneten befestigte. «Wunderschön. Hast du das in der Schule gezeichnet?»
    «Ja. Frau Sieber hat mir dafür ein Sternchen gegeben.» Er strahlte, und Beatrice ging in die Hocke, um ihn besser in die Arme nehmen zu können. Wenigstens er hatte heute ein Erfolgserlebnis gehabt. «Da. Schau mal.» Er machte sich los und griff sich mit zwei Fingern in den Mund. Ein Wackelzahn.
    «Toll!», staunte sie und hörte im gleichen Moment ein Zischen. Kochwasser schwappte auf die Herdplatte und von dort auf den Boden. Beatrice fluchte innerlich, zog den Topf auf die Seite und drehte die Hitze herunter.
    «Geh noch mit Mina spielen, ja? Ich rufe euch, wenn das Essen fertig ist.»
    «Mina mag aber nicht mit mir spielen», maulte Jakob. «Immer sagt sie, ich bin ein Baby und hab keine Ahnung von nichts.» Trotzdem trollte er sich in Richtung Kinderzimmer und gab dabei laute Motorengeräusche von sich.
    Beatrice wischte die Schweinerei auf Herd und Boden auf, schnippelte Schinken, schälte Kartoffeln und ließ sich erschöpft auf einen Küchenstuhl sinken, als der Auflauf endlich im Rohr war. Vor ihr auf dem Tisch lag ein Brief der Kanzlei Schubert und Kirchner. Achims Anwälte. Sie warf das Schreiben ungeöffnet auf den verhassten To-do-Stapel und kramte ihr Notizbuch heraus.
    Agentur: Wer war bei der Feier? Hat jemand sie gemeinsam mit Nora Papenberg verlassen?
    Anruf!!! Wie bald danach ist Papenberg aufgebrochen? Was genau hat sie gesagt? Ist es möglich, dass sie sich noch mit jemandem getroffen hat?
    Nummer des Anrufers herausfinden.
    Wo ist ihr Auto?
    Fünf Tage bis zum Mord – wieso so lang???
    Sie blätterte weiter zurück, zu den Notizen, die sie sich direkt nach dem Aufbruch vom Fundort der Leiche gemacht hatte.
    Art der Tötung wie Hinrichtung. Warum stürzt jemand sein Opfer von einem Felsen?
    Sie las sich die Aussage des Bauern durch – nichts gehört, nichts gesehen, alles wie immer. Darüber hatte sie die Koordinaten hingekritzelt. Beatrice schloss die Augen und rief sich das Bild zurück – die seitlich in Schrittstellung liegenden Füße, auf deren Sohlen sich eine Zahl an die nächste reihte. Es war kein professionell gestochenes Tattoo, ganz sicher nicht. Es war selbst gemacht. Vom Täter. Oder vom Opfer? Sie öffnete ihre Augen wieder, als die Eieruhr zu piepsen begann. Zeit für den Auflauf.
    «Sind wir dieses Wochenende wieder bei Papa?», fragte Mina, während sie ein Broccoliröschen in mikroskopisch kleine Teile zerlegte.
    «Ja, das ist so verabredet. Wieso? Willst du nicht zu ihm?»
    «Doch.» Ein winziges grünes Fragment hatte Gnade vor ihren Augen gefunden und wurde mit der Gabel in den Mund befördert. «Er schenkt mir vielleicht eine Katze, hat er gesagt. Wenn die bei Papa wohnt, kann ich dann öfter zu ihm?»
    Beatrice schluckte schwer an ihrem Bissen. «Das besprechen wir dann noch.»
Eine Katze!
    «Ja, Mama, ich auch!», nuschelte Jakob mit vollem Mund.
    «Vergiss es, Monster, das ist meine Katze.»
    «Blöde Kuh.»
    Mina ignorierte ihn. «Wenn Papa heute Nacht wieder anruft, kann ich dann mit ihm sprechen?»
    «Ich auch!», juchzte Jakob.
    «Nein. In der Nacht wird nicht telefoniert. Das wird auch Papa bald einsehen.»
    Sie versorgte die Kinder und steckte sie ins Bett, wo ihnen der CD -Player die Gutenachtgeschichte vorlas, für die sie heute keine Kraft mehr gehabt hatte, dann setzte sie sich mit einem Glas Rotwein auf den Balkon. Las noch einmal ihre spärlichen Notizen durch. Blieb immer wieder an den Koordinaten hängen.
    Sie ließ den Wein im Mund kreisen, versuchte die Johannisbeer- und Tabaknoten herauszuschmecken, die auf dem Flaschenetikett angepriesen wurden, schaffte es nicht und trank das Glas in einem Zug leer. Müdigkeit griff mit schweren Händen nach ihr.
    Sie schaltete ihr Handy aus und zog den Stecker des Festnetztelefons aus der Wand. Achim musste sich für heute Nacht ein anderes Hobby suchen.
     
    Drei gelbe
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