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Fünf

Fünf

Titel: Fünf
Autoren: Ursula Poznanski
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bereits in Sicht kam. Der Weg führte nun steiler bergauf, zwischen hohen Felsen hindurch, vorbei an abgeknickten Bäumen, aus deren Stümpfen Pilze wuchsen. Ein umgestürzter Baumstamm überspannte den Weg wie ein Torbogen.
    «Wir werden bloß Landschaft zu sehen kriegen, sonst nichts», murmelte Beatrice. «Wie weit noch?»
    «Hundertzwanzig Meter.»
    Sie begann, nach etwas Ungewöhnlichem Ausschau zu halten, doch das war schwierig, wenn man nicht zumindest eine Ahnung davon hatte, wie dieses Etwas beschaffen sein konnte. Da waren Felsen, viele Felsen in unterschiedlicher Größe. Ein weiteres Bachbett.
    «Vierzig Meter», verkündete Florin.
    Überall riesige Steine, die sich gegenseitig stützten. Auf einigen der schroffen, moosüberwucherten Formationen wuchsen sogar Bäume.
    «Fünfzehn Meter.» Florin blieb stehen. «Von hier aus müssten wir schon etwas sehen können.» Er verlangsamte seine Schritte, die Augen fest auf sein Handy gerichtet. Beatrice kämpfte gegen das enttäuschte Ziehen in der Magengrube an. Hier war nichts, okay, aber nur auf den ersten Blick. Das hieß noch lange nicht, dass die Koordinaten Humbug sein mussten. Sie würden sich Zeit nehmen. Genau sein. Davon ausgehen, dass mehr hinter den Tätowierungen steckte als ein Mörder mit einem ungewöhnlichen Fetisch, bei dem Füße und Zahlen eine Rolle spielten.
    «Hier.» Florin blieb stehen. «Irgendwo im Umkreis von drei Metern, exakter lässt sich das mit dem Handy leider nicht bestimmen.»
    Trockenes Laub knisterte unter ihren Schuhen, als sie langsam einen Fuß vor den nächsten setzten. Dieser Flecken unterschied sich in nichts von Hunderten anderen in diesem Wald. Bäume. Felsformationen. Abgestorbenes Holz.
    Beatrice holte die Kamera aus ihrem Rucksack und begann Fotos zu schießen. Sie bemühte sich, nichts auszulassen. Gut möglich, dass die Bilder später mehr zeigen würden, als sie jetzt vor Ort wahrnahmen.
    «Da vorne ist etwas, das sich Teufelsschlucht nennt», vermeldete Florin. «Hübscher Name, aber falsche Koordinaten.»
    «Merken wir ihn uns trotzdem.» Beatrice setzte sich auf einen der kniehohen Felsen und betrachtete die Umgebung. «Bin ich hier ungefähr richtig?»
    «Ja, ziemlich. Acht Meter östlich von deiner Position befindet es sich – was auch immer.»
    Sie atmete tief durch, köstlich sonnengewärmte Luft voller Aromen. Harz, Laub, Erde.
    Acht Meter.
    Sie betrachtete den Boden rund um sich genauer. Nein. Nichts Ungewöhnliches. Nur Felsen.
    Moment – möglicherweise mussten sie weiter oben nachsehen? In den Bäumen?
    Beatrice hielt sich die Hand über die Augen und blinzelte gegen die Sonne in die höheren Regionen der Stämme und die Baumwipfel, doch alles, was sie sah, war Wald.
    Kein Anhaltspunkt, kein Zeichen.
    In Florins Miene las sie die gleiche Unzufriedenheit, die sie selbst empfand, doch seine Stimme klang munter. «Du wirst wieder mal recht gehabt haben, Bea. Wer weiß, was dieser Ort dem Tätowierer bedeutet. Was er hier erlebt, gesehen, gehört hat. Vielleicht schon vor Jahren.»
    «Ja.» Sie nahm die Wasserflasche, die er ihr reichte, und trank drei große Schlucke. Aber es fühlte sich falsch an.
    Da ist etwas, aber wir sehen es nicht, der Fehler liegt bei uns.
    Wir sehen es nicht. Der Gedanke hakte sich fest. Wir sehen es nicht, weil wir es nicht sehen sollen? Oder weil wir uns mehr anstrengen müssten?
    Ihr Blick blieb an einem der höher gelegenen Felsen hängen, an dem ein Stein lehnte. Er hob sich farblich kaum ab, war nur geringfügig heller, aber im Gegensatz zu dem Fels in seinem Rücken nicht mit Moos bewachsen.
    «Oder weil es versteckt ist», sagte sie entschlossen.
    «Wie bitte?»
    Beatrice stand auf und ging die wenigen Schritte zu dem Felsen hinüber. Um an die Stelle zu gelangen, die ihr aufgefallen war, musste sie klettern; sie hielt sich an einem Baum fest, der seine Wurzeln um einen tiefer liegenden Brocken geschlungen hatte. Mit der anderen Hand prüfte sie den unbemoosten Stein. Wie sie vermutet hatte, war er nur angelehnt. Dahinter war eine Einhöhlung, ein dunkles Loch. Sie fotografierte den Felsen aus der Nähe, wobei sie nur mühsam die Balance hielt. Der Blitz ihrer Kamera zeigte für Bruchteile einer Sekunde etwas Helles im Inneren der kleinen Höhle.
    «Sieh an.» Florin kletterte zu ihr und kramte eine Taschenlampe aus seinem Rucksack. Ihr Lichtstrahl fiel auf Erde und ein paar braune Blätter, unter denen sich eilig eine Spinne verkroch. Er glitt über die
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