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Fünf

Fünf

Titel: Fünf
Autoren: Ursula Poznanski
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Post-its, vollgekritzelt mit Hoffmanns unleserlicher Schrift, erwarteten sie am Morgen auf ihrem Computermonitor. Die Berichte. Sie verdrehte die Augen.
    «Wir geben Stefan die Unterlagen, der braucht sowieso Übung. Berichte schreiben festigt den Charakter. Er hat sich auch schon um die Liste mit Nora Papenbergs Handygesprächen gekümmert – und rate mal!» Florin stand in höchst untypischer Aufmachung – Cargohose, T-Shirt, Trekkingschuhe – an der Espressomaschine und vollendete soeben sein Kaffee-Milchschaum-Kakaopulver-Kunstwerk für Beatrice. «Der eingegangene Anruf, der die Frau offenbar von ihrem Essen weggelockt hat, kam aus einer Telefonzelle auf der Maxglaner Hauptstraße. Ich habe jemanden von der Spurensicherung hingeschickt, obwohl ich selbst nicht dran glaube, dass das etwas bringt.» Er sah auf. «Apropos Telefon – wie lief die letzte Nacht? Ruhe diesmal?»
    «Ja, weil ich alles, was hätte läuten können, lahmgelegt habe. Dafür hatte ich heute Morgen sieben empörte Nachrichten auf der Sprachbox, er hätte sich solche Sorgen um die Kinder gemacht, weil niemand erreichbar war.» Sie nahm einen Schluck Kaffee. Er schmeckte wunderbar.
    «Hauptsache, du konntest schlafen. Hör mal, der Bericht aus der Gerichtsmedizin ist noch nicht da, deshalb schlage ich vor, wir konzentrieren uns erst auf einen anderen Aspekt des Falls.»
    «Die Koordinaten?»
    «Genau.» Er winkte mit seinem Handy. «Ich habe eben neue Navigationssoftware installiert. Wie es aussieht, müssen wir mitten ins Grüne.» Er breitete eine Karte aus und zeigte mit dem Finger auf ein Stück Wald nahe dem Wolfgangsee.
    «Da? Bist du sicher?» Beatrice wusste selbst nicht, was sie sich von der Stelle erwartet hatte, auf die die Koordinaten wiesen. Aber ganz sicher etwas Spektakuläreres als Bäume.
    Sie nahmen Florins Wagen. Beatrice ließ das Fenster auf der Beifahrerseite herunter. Der Mai hatte gerade erst begonnen, doch er tat so, als wäre er ein Sommermonat. Aus dem CD -Player klang argentinischer Tango. Kurz stellte sie sich vor, sie würden einen Ausflug machen, den Picknickkoffer auf dem Rücksitz und alle Zeit der Welt im Gepäck.
    Das brachte sie auf einen Gedanken. «Was, wenn der Ort, zu dem wir fahren, nur eine private Bedeutung hat? Wenn er Schauplatz eines Streits war? Oder, im Gegenteil, eines ersten Kusses, eines Versprechens, eines Liebesaktes, irgendeines Ereignisses zwischen Menschen, das keine sichtbaren Spuren hinterlassen hat? Dann ist er möglicherweise der Schlüssel zu ihrem Fall, aber wir werden das Schloss nie finden.»
    Florin lächelte nur. «Schon möglich. Aber ignorieren sollten wir die Tätowierungen trotzdem nicht, oder? Ich für meinen Teil kann mir nicht vorstellen, dass sie uns gar nicht weiterhelfen.»
    Natürlich, er hatte recht. Und schlimmstenfalls hätten sie einen sonnigen Maivormittag im Grünen verbracht, weitab von Hoffmann und seinen Post-its. Das war es allemal wert.
    «Was denkst du, was wir finden werden?», fragte sie, als sich das Auto die Serpentinen auf den Heuberg hochschraubte.
    Er zuckte die Achseln. «Lassen wir es auf uns zukommen. Wenn ich mich auf etwas Konkretes einstelle, übersehe ich gerne das, worauf es ankommt, bloß weil es anders aussieht, als ich erwartet habe. –
    Übrigens habe ich mich endlich entschieden, das wird dich freuen.» Florins Augenbrauen hoben sich.
Frag mich
, hieß das.
    «Wofür?»
    «Carpaccio di Manzo.»
    «Wie bitte?»
    «Das Antipasto-Problem, weißt du nicht mehr? Carpaccio ist die Lösung. Der perfekte Weg. Der erste Schritt zur Vollendung. Anneke wird es lieben.»
    Der Fahrtwind trug den Geruch von frischer Erde und Flieder ins Innere des Autos.
    «Das wird sie.»
     
    Sie parkten den Wagen gegenüber einem Gasthof. Der Weg vor ihnen führte über eine Wiese, flankiert von einzelnen Villen und einem prächtig renovierten alten Bauernhof zur Rechten. Florin trug sein Handy vor sich her wie einen Kompass. «Vierhundertdreißig Meter Luftlinie, wenn wir uns nordwestlich halten. Ich würde trotzdem sagen, wir folgen erst mal dem Weg, statt uns gleich ins Gebüsch zu schlagen.»
    Bis auf ein älteres Ehepaar in Nordic-Walking-Ausrüstung war an diesem Vormittag kein Mensch im Wald unterwegs. Sie überquerten einen erstaunlich klaren Bach und bogen an einem gelben Wegweiser mit der Aufschrift
Steinklüfte
nach rechts ab.
    «Nicht mehr weit.» Florin hielt Beatrice das Handy hin, auf dessen Display die schwarz-weiß karierte Zielflagge
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