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Fuchsteufelswild

Fuchsteufelswild

Titel: Fuchsteufelswild
Autoren: Roland Krause
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melancholischer Ausdruck verziert seine Mundwinkel.
    Der Tod vom Brandl hat ihn gepackt – er ist ein passabler Schauspieler –, oder die Wiesner hat eine Wahrnehmungsstörung. Drei Möglichkeiten. Nicht unangenehm, ihm gegenüberzusitzen. Ganz im Gegenteil. Der Oberkommissarin schießen neben dem Gegenübersitzen zahlreiche Varianten ein – durch den Kopf allerdings nicht. Ausblenden hilft nur partiell – mit dem Herrn Stangassinger könnte sie in adäquater Umgebung die Unterhaltung jederzeit nonverbal gestalten. Solche tief gehenden Gedanken machen die Befragung eines potenziell Tatverdächtigen nicht geschmeidiger. Da hilft nur, die Situation kurz und schmerzlos hinter sich zu bringen.

    S chauens, die Menschen in einer Großstadt sind alle ein bisserl schizophren«, verkündet der Mann den Ermittlern. »Einerseits wollens alles leistungsoptimiert, den Geist, den Körper und das Glück. Alles messbar – da findest du dann Power-Yoga, Yoga zum Abspecken, Balance-Yoga, weiß der Kuckuck. Wissens, dass es sogar Hunde-Yoga gibt? Doga nennen das die Amis. Demnächst schleppens ihr Federviech daher, und du sollst Byrda machen. Na ja. Da probierst mit einer Zehnerkarte, ob es zielorientiert vorangeht, und schindest dich ab. Für mich wär des nix. Da gibt’s ja noch die andere Seite – dass die Leut spüren, Mensch, verdammt, da fehlt doch was. Vielleicht spüren sie das körperlich und werden krank, oder sie machen den Gedanken weg mit After-Work-Partys und Shopping und weiß der Geier. Ganz profan, ich kann noch so schnell laufen im Hamsterrad und komm doch nirgendwo an – weil ohne Erkenntnis und die Erfahrung, Teil des großen Ganzen zu sein, ist der Mensch nichts mehr als ein kleines, gefühlloses Viech im Käfig.«
    Der Hartinger schnauft laut. Mindestens ein großes Viech. Kategorie: Büffel. Gleich wird er hyperventilieren. Da dockt was an in seinem Hafen – das Schifferl würde er am liebsten auf den Grund schicken. Die Reiseroute kennt er in- und auswendig.
    Â»Und das ist ein Drahtseilakt«, fährt Brandls Kompagnon unbeirrt fort, »den Menschen ein Angebot zu machen, indem man sie einlädt, universelle Erfahrungen zu machen. Einfach gesagt ist jede Yogapraxis ein Teil des Ganzen, eine Methode, spirituelle Energie zu erwecken. Jeder kann das erfahren. Das hat mit sportlicher Leistung nix zu tun. Du wirst deine Beziehung zum Göttlichen und den Sinn des eigenen Lebens befragen. Es bringt dich dir selbst näher, vielleicht lässt es dich auch deinen Lebensweg, dein Leid betrachten, es ist ein Geschenk...«
    Jetzt langt’s. Der Hartinger springt auf. Das Gesicht spiegelt körperliche Schmerzen wider. Vielleicht hat er einen Krampf – unter psychosomatischen Aspekten wär es naheliegend. Die nächste Stufe wär, dass er sich mit Schaum vorm Mund auf dem Boden wälzen müsste. Vielleicht wär Meditation nicht verkehrt für den jungen Kommissar. Aber da würde er sich wohl eher eine Holzkeule aufs Hirn dreschen, um die innere Einkehr anklopfen zu lassen.
    Â»Okay, die Oberflächlichkeit der Gesellschaft und das spirituelle Brimborium mal beiseitegelassen«, herrscht er den Stangassinger an, »welche Rollenaufteilung gab’s da zwischen Ihnen beiden? Wie sind Sie zueinander gekommen?«
    Leicht irritiert blickt der Yogalehrer hoch zum zuckenden Kommissar. Der Wiesner ergeht es ähnlich. Synchron ziehen sie die Augenbrauen nach oben.
    Â»Ich hab den Toni in Vietnam kennengelernt, vor eineinhalb Jahren. Da ging es ihm nicht gut, ziemlich abgestürzt. Aber wie wir ins Gespräch gekommen sind – ehrlich gesagt wollt er sich ein paar Dollar von mir schnorren –, hab ich gleich gemerkt, da ist was an dem. Der besitzt ein Feuer, strahlt eine Weisheit und Überzeugungskraft aus. Sie könnten das Charisma nennen, aber das greift zu kurz. Er war kein erleuchteter, fanatischer Heilsbringer, falls Sie das denken, eher überzeugend durch seine Bescheidenheit und seine Kenntnis. Wir sind ja keine Sekten-Fuzzis. Wir haben uns beide auf den Weg des Kundalini-Yoga begeben. Es war eine Seelenverwandtschaft. Der Toni hatte mit einigen Weisen gelebt. Er hat sein Wissen, sein Erleben um meditative Übungen weitergegeben. Gemeinschaftliche Erlebnisse geschaffen. Jedes Haus braucht ein Fundament. Er hat es gegossen. Den Geist zu
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