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Frühstück bei Tiffany

Frühstück bei Tiffany

Titel: Frühstück bei Tiffany
Autoren: Truman Capote
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wissen, dies schauderhafte Geflüster durch ein Gitter. Gitter gibt es nicht, nur eine Art Ladentisch ist zwischen denen und uns, und die Kinder können da drauf stehen, damit sie umarmt werden können, und wenn man einem einen Kuß geben will, braucht man nichts weiter zu tun, als sich 'rüberzubeugen. Am meisten mag ich, daß sie so glücklich sind, einander zu sehen. Sie haben sich so vieles aufgehoben, worüber sie reden wollten, es ist gar nicht möglich, trübsinnig zu sein, sie lachen unentwegt und halten sich bei den Händen.
    Anders ist es dann hinterher», sagte sie. «Ich sehe sie im Zug. Sie sitzen so stumm und sehen den Fluß vorüberziehen.»
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    Sie zog eine Strähne ihres Haars zum Mundwinkel und knabberte gedankenverloren darauf herum. «Ich halte Sie wach. Schlafen Sie doch.»
    «Bitte. Es interessiert mich.»
    «Das weiß ich. Deswegen will ich ja, daß Sie schlafen sollen. Denn wenn ich so weiterrede, erzähle ich ihnen von Sally. Ich bin nicht ganz sicher, ob das den Spielregeln entspräche.» Sie kaute stumm auf ihrem Haar. «Gesagt hat mir nie jemand, daß ich es keinem erzählen dürfte. Nicht ausdrücklich. Und es ist schon ulkig. Vielleicht könnten Sie's in einer Geschichte anbringen mit anderen Namen und so. Hören Sie zu, Fred», sagte sie und griff sich noch einen Apfel, «Hand aufs Herz und den Ellbogen küssen!»
    Schlangenmenschen können vielleicht ihren Ellbogen küssen, sie mußte sich mit einem annähernden Resultat zufriedengeben.
    «Also», sagte sie, den Mund voll Apfel, «Sie mögen von ihm in der Zeitung gelesen haben. Sein Name ist Sally Tomato, und ich spreche besser jiddisch als er englisch: aber er ist ein geliebter alter Mann, schrecklich fromm. Er würde wie ein Mönch aussehen, hätte er nicht die Goldzähne; er sagt, er bete für mich jeden Abend. Gehabt habe ich natürlich nie was mit ihm; ja, was das betrifft, so kannte ich ihn überhaupt noch gar nicht, ehe er im Gefängnis saß. Aber jetzt liebe ich ihn zärtlich, schließlich habe ich ihn nun bereits seit sieben Monaten jeden Donnerstag besucht, und ich glaube, ich würde es tun, selbst wenn er mir nichts zahlte. Der ist faulig», sagte sie und warf den Rest des Apfels zielsicher aus dem Fenster. «Übrigens kannte ich Sally doch schon vom Sehen. Er kam immer zu Joe Bell, das Lokal um die Ecke - nie hat er mit jemand geredet, stand bloß 'rum wie einer, der im Gasthaus wohnt. Ulkig aber, wenn man zurückdenkt, wie genau er mich beobachtet haben muß, denn nämlich gleich nachdem sie ihn eingebuchtet hatten (Joe Bell zeigte mir sein Bild in der Zeitung. Schwarze Hand - Mafia - lauter solch Hokuspokus - aber sie gaben ihm fünf Jahre), kam doch dies Telegramm von einem Anwalt. Da hieß es, daß ich mich sofort mit ihm in Verbindung setzen sollte wegen einer für mich vorteilhaften Nachricht.»
    «Sie glaubten, es hätte Ihnen einer eine Million hinterlassen?»
    «Ach wo. Ich dachte eher, Bergdorf wollte auf die Art versuchen, seine letzte Kleiderrechnung zu kassieren.
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    Aber ich riskierte es und ging zu diesem Anwalt (wenn er überhaupt ein Anwalt ist, was ich bezweifle, weil er gar kein Büro zu haben scheint, nur einen Telephondienst, und immer verabredet er sich mit einem im Lokal deswegen ist er wohl auch so fett, er kann zehn Hamburger Fleischklopse essen, zwei Schüsseln Mixpickles dazu und eine ganze Baisertorte mit Zitronenschaum). Er fragte mich, ob ich wohl gerne einen einsamen alten Mann ein wenig aufheitern und dabei gleichzeitig hundert in der Woche einstecken möchte. Ich sagte, Herzchen, da haben Sie die falsche Miss Golightly erwischt, ich bin keine Krankenschwester, die sich nebenher auf allerlei Tricks versteht. Vom Honorar war ich ebensowenig beeindruckt, so viel kriegt man auch zusammen mit Pudern gehen - jeder Gent mit ein bißchen Lebensart wird einem fünfzig geben, wenn man Für Damen will, und ich frage immer noch um Fahrgeld, das macht nochmal fünfzig. Aber dann erzählte er mir, daß sein Klient Sally Tomato sei. Er sagte, der liebe alte Sally habe mich schon längst a la distance bewundert, und ob es denn da nicht eine gute Tat sei, wenn ich ihn einmal in der Woche besuchen würde. Na, da konnte ich nicht nein sagen - es war zu romantisch.»
    «Ich weiß nicht. Da stimmt irgendwas nicht.»
    Sie lächelte. «Sie meinen, daß ich schwindle?»
    «Erstens kann man doch nicht einfach irgend jemanden einen Gefangenen besuchen lassen.»
    «Ach, das machen sie ja auch nicht. Tatsache, dass
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