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Frühstück bei Tiffany

Frühstück bei Tiffany

Titel: Frühstück bei Tiffany
Autoren: Truman Capote
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fipselte herum. Sie zerzupfte die Zigarettenreste im Aschenbecher, sie stierte verträumt auf ihre Fingernägel, als wünsche sie sich eine Nagelfeile; schlimmer noch: da ich ihr Interesse gepackt glaubte, lag in Wirklichkeit ein verräterischer Reif über ihren Augen, als überlege sie, ob sie sich das Paar Schuhe kaufen sollte, das sie im Schaufenster gesehen.
    «Ist das der Schluß?» fragte sie, auffahrend. Sie suchte herum, was sie noch sagen könnte. «Schwule kann ich an sich ganz gut leiden. Angst habe ich keine vor ihnen. Aber ganze Geschichten über so was langweilen mich zum Gotterbarmen. Ich kann mich einfach nicht in sie 'reinversetzen. Na ja, wirklich, Herzchen», sagte sie, weil ich sichtlich ratlos war, «um was, zum Teufel, handelt es sich denn, wenn nicht um zwei so'ne, die andersrum sind?»
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    Aber ich war nicht in der Stimmung, den Fehler, diese Geschichte gelesen zu haben, mit der zusätzlichen Unannehmlichkeit, sie erklären zu müssen, zu verbinden. Die gleiche Eitelkeit, die mich zu solcher Bloßstellung gebracht hatte, trieb mich jetzt dazu, sie als Wichtigtuerin ohne Empfindung und Verstand herabzusetzen.
    «Nebenbei gesagt», versetzte sie, «kennen Sie vielleicht zufällig ein paar nette Schwule? Ich suche nämlich eine Zimmergenossin. Sie brauchen gar nicht zu lachen. Ich bin derart durcheinander, ich kann mir einfach kein Mädchen leisten. Und die Sorte ist nämlich wunderbar im Hause, sie reißen sich danach, alle Arbeit zu machen, nie braucht man sich ums Fegen oder Abtauen oder Wäscheweggeben zu kümmern. Ich hatte eine Mitmieterin in Hollywood, die in Wildwestfilmen spielte und der Einsame Jäger genannt wurde. Aber das kann ich wohl von ihr sagen, daß sie im Hause besser als jeder Mann zu gebrauchen war. Natürlich konnten die Leute nicht anders als denken, ich müßte selber auch so'n bißchen andersrum sein. Bin ich natürlich auch. Jeder ist das - ein bißchen. Wenn schon. Das hat bisher noch nie einen Mann abgehalten, scheint sie im Gegenteil anzustacheln. Sehen Sie am Einsamen Jäger: zweimal verheiratet. Gewöhnlich heiraten solche nur einmal, nur wegen des Namens. Es scheint einem für später solch cachet zu geben, wenn man sich Mrs. Soundso nennen kann. Das ist doch nicht wahr!» Sie starrte den Wecker auf dem Tisch an. «Es kann nicht halb fünf sein! »
    Das Fenster wurde langsam dämmrig. Eine Sonnenaufgangsbrise bewegte leicht die Vorhänge.
    «Was ist heute?»
    «Donnerstag.»
    «Donnerstag.» Sie erhob sich. «Mein Gott», sagte sie und sank mit einem Seufzer wieder zurück. «Es ist zu grauenhaft.»
    Ich war allzu müde, um neugierig zu sein. Ich legte mich aufs Bett und schloß meine Augen. Dennoch kam es unwiderstehlich: Was ist so Grauenhaftes am Donnerstag?»
    «Nichts. Nur daß ich mich nie dran erinnern kann, wenn es so weit ist
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    Donnerstag muß ich nämlich den Achtuhrfünfundvierziger kriegen. Die sind so genau mit den Besuchsstunden, daß man, wenn man um zehn dort ist, nur noch eine Stunde Zeit hat, ehe die armen Kerle Mittag essen. Stellen Sie sich vor: Mittagessen um elf. Man kann auch um zwei kommen, und das würde ich viel lieber, aber er mag es mehr, wenn ich morgens komme, er sagt, daß es ihm für den Rest des Tages auf die Beine hilft. Ich muß ganz einfach wachbleiben», sagte sie und kniff sich in die Wangen, bis die Rosen kamen, «zum Schlafen ist keine Zeit mehr, ich würde schwindsüchtig aussehen, ich würde zusammensacken wie eine Mietskaserne, und das wäre nicht anständig - ein Mädchen kann nicht grün im Gesicht nach Sing-Sing gehen.»
    «Ich vermute, nein. » Der Zorn, den ich wegen meiner Geschichte über sie empfunden, verebbte. Sie hatte mich wieder ganz eingefangen.
    «Alle Besucher geben sich Mühe, so gut wie möglich auszusehen, und es ist sehr rührend, ist verteufelt süß, wie da die Frauen von allem das Hübscheste tragen, ich meine auch die alten und die wirklich armen, die machen die goldigsten Anstrengungen, nett auszusehen und auch nett zu riechen, und ich habe sie richtig lieb deswegen. Lieb habe ich auch die Kinder, besonders die farbigen. Ich meine die Kinder, die die Frauen mitbringen. Es müßte eigentlich traurig sein, die Kinder dort zu sehen, aber das ist es nicht. Sie haben Bänder in den Haaren und auf Hochglanz gewichste Schuhe, daß man richtig denkt, nun müßte es Eiskrem geben. Und manchmal ist das auch so im Besuchszimmer, ganz wie bei einer Gesellschaft. Jedenfalls ist es nicht wie im Kino - Sie
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