Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frühstück bei Tiffany

Frühstück bei Tiffany

Titel: Frühstück bei Tiffany
Autoren: Truman Capote
Vom Netzwerk:
Beine unter sich und blickte im Zimmer umher, wobei sie ihre Augen noch unverkennbarer zusammenkniff. «Wie können Sie das aushalten? Eine Schreckenskammer.»
    «Ach, man gewöhnt sich an alles», sagte ich, ärgerlich über mich selbst, denn ich war in Wirklichkeit sehr stolz auf diesen Raum.
    «Ich nicht. Ich werde mich nie an irgendwas gewöhnen. Wer das tut, der kann ebensogut tot sein.» Ihre tadelnden Blicke musterten noch einmal das Zimmer. «Was tun Sie denn nur hier den ganzen Tag?»
    Ich machte eine Handbewegung auf einen hoch mit Büchern und Papieren bedeckten Tisch zu. «Ich schreibe allerhand.»
    «Ich dachte, Schriftsteller wären ziemlich alt. Freilich, Saroyan ist nicht alt. Ich bin ihm auf einer Gesellschaft begegnet, und er ist wirklich noch gar nicht alt. Nein tatsächlich», überlegte sie, «wenn er sich besser rasieren würde ... ist übrigens Hemingway alt?»
    17
    «In den Vierzigern, sollte ich meinen.»
    «Nicht schlecht. Mich regen keine Männer auf, wenn sie nicht wenigstens zweiundvierzig sind. Ich kenne da eine idiotische Person, die mir ständig vorerzählt, ich müßte zu solch einem Hirnputzer gehen - sie sagt, ich hätte 'nen Vaterkomplex. Was mehr als merde ist. Ich habe mich ganz einfach drauf trainiert, nur ältere Männer zu mögen, und das war das Klügste, was ich je gemacht habe. Wie alt ist W. Somerset Maugham?»
    «Ich weiß nicht genau. Irgendwie über sechzig.»
    «Nicht schlecht. Mit einem Schriftsteller bin ich noch nie ins Bett gegangen. Nein, halt - kennen Sie Benny Shacklett?» Sie runzelte die Stim, als ich meinen Kopf schüttelte. «Aber komisch. Er hat einen ganzen Haufen Zeug fürs Radio geschrieben. Doch quel rat . Sagen Sie, sind Sie ein richtiger Schriftsteller?»
    «Kommt darauf an, was Sie unter richtig verstehen.»
    «Na, Herzchen, kauft irgendwer das, was Sie schreiben?»
    «Noch nicht.»
    «Ich werde Ihnen helfen», sagte sie. «Kann ich nämlich, Denken Sie bloß an all die Leute, die ich kenne, die Leute kennen. Ich werde Ihnen helfen, weil Sie aussehen wie mein Bruder Fred. Nur kleiner. Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit ich vierzehn war, damals ging ich nämlich von zu Hause fort, und er war bereits einsfünfundachtzig. Meine anderen Brüder waren mehr Ihr Format. Kümmerlinge. Daß Fred so groß wurde, kam von der Erdnußbutter. Alle hielten es für verrückt, die Art, wie er sich mit Erdnußbutter vollstopfte; ihn kümmerte nichts auf dieser Welt als Pferde und Erdnußbutter. Aber er war nicht verrückt, nur reizend und ein bißchen unklar im Kopf und entsetzlich langsam; er war schon drei Jahre in der achten Klasse, als ich davonlief. Armer Fred. Ich möchte wohl wissen, ob sie bei den Soldaten großzügig sind mit der Erdnußbutter. Wobei mir einfällt, daß ich vor Hunger umkomme.»
    Ich deutete auf eine Schale mit Äpfeln, fragte sie gleichzeitig, wie und warum sie so jung schon von zu Hause weggelaufen sei. Sie schaute mich verloren an und rieb sich die Nase, als kitzle sie dort etwas - eine Geste, die ich, nach häufiger Wiederholung, als Signal dafür erkennen lernte, daß man eine Grenze überschritt.
    18
    Wie bei vielen Menschen mit der kühnen Vorliebe, aus freien Stücken intime Aufschlüsse zu geben, wurde sie bei allem, was wie eine direkte Frage, ein Festlegenwollen aussah, sofort zurückhaltend. Sie biß ein Stück Apfel ab und sagte: «Erzählen Sie mir etwas, was Sie geschrieben haben. Die Handlung.»
    «Das ist eben eine der Schwierigkeiten. Es sind keine Geschichten, die man erzählen könnte.»
    «Zu unanständig?»
    «Vielleicht lasse ich Sie gelegentlich mal eine lesen. »
    «Whisky und Apfel paßt zusammen. Schenken Sie mir einen ein, Herzchen. Dann können Sie mir selber eine vorlesen.»
    Sehr wenige Autoren, in Sonderheit ungedruckte, können der Aufforderung widerstehen, vorzulesen. Ich schenkte uns beiden etwas ein, setzte mich in den Stuhl gegenüber und begann ihr vorzulesen, wobei meine Stimme in einer Mischung von Lampenfieber und Begeisterung etwas bebte - es war eine neue Geschichte, die ich tags zuvor beendet hatte, so daß jenes unvermeidliche Gefühl des Versagthabens sich noch nicht entwickeln konnte. Es handelte sich um zwei Frauen, die gemeinsam ein Haus bewohnen, Lehrerinnen, von denen die eine, als sich die andere verlobt, durch anonyme Briefe eine Skandalgeschichte verbreitet, was die Heirat verhindert. Während ich las, krampfte jeder Blick, den ich Holly verstohlen zuwarf, mein Herz zusammen. Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher