Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frühstück bei Tiffany

Frühstück bei Tiffany

Titel: Frühstück bei Tiffany
Autoren: Truman Capote
Vom Netzwerk:
glitschten einem unter den Füßen. Das Backsteinhaus liegt mitten in einem Block, nicht weit von einer Kirche, wo eine melancholische Turmuhr die Stunden schlägt. Es ist seit meiner Zeit frisch gestrichen, eine prächtige dunkle Tür hat das alte Mattglas ersetzt, und elegante graue Läden rahmen die Fenster. Niemand wohnt mehr dort, an den ich mich erinnere, bis auf Madame Sapphia Spanella, eine robuste Koloratursängerin, die jeden Nachmittag in den Central-Park Rollschuhlaufen ging. Dass sie noch da ist, weiß ich, weil ich die Stufen hinaufging und bei den Briefkästen nachschaute. Es war einer dieser Briefkästen, der mich zuerst auf Holly Golightly aufmerksam gemacht hatte.
     
    Ich hatte etwa eine Woche im Hause gewohnt, als mir auffiel, daß der zu Apartment Nr. 2 gehörige Briefkasten eine merkwürdige Visitenkarte in seinem Namensschlitz trug. Eher im Stil exklusivster Firmen gedruckt stand da zu lesen: Miss Holiday Golightly, und darunter in der Ecke: Auf Reisen. Es hakte sich in mir fest wie eine Melodie: Miss Holiday Golightly, Auf Reisen.
    11
    Eines Nachts - es war längst zwölf vorüber - wachte ich von der lauten Stimme auf, mit der Mr. Yunioshi die Treppe hinunterrief. Da er im Dachgeschoß wohnte, fiel ihr Klang durch das ganze Haus, aufgebracht und streng: «Miss Golightly, Ich mussen protestieren!»
    Die Stimme, die vom Grunde der Treppe heraufquellend zurücktönte, war naiv-jung und selbstbelustigt. «Ach, Herzchen, es tut mir so leid. Ich hab den verdammten Schlüssel verloren.»
    «Sie können nicht immer meine Klingel drücken. Sie mussen bitte, bitte sich Schlüssel machen lassen.»
    «Aber ich verlier' sie doch alle.»
    «Ich arbeiten, ich brauchen Schlaf», schrie Mr. Yunioshi. «Aber immer Sie meine Klingel drücken ... »
    «Ach nicht böse sein, liebster Kleiner, ich will's bestimmt nicht wieder tun. Und wenn Sie versprechen, nicht böse zu sein» - ihre Stimme kam näher, sie stieg die Treppe herauf -, «lasse ich Sie vielleicht die Aufnahmen machen, die wir mal erwähnten. »
    Inzwischen hatte ich mein Bett verlassen und die Tür einen Spaltbreit geöffnet. Ich konnte Mr. Yunioshis Schweigen hören hören, weil es von einem vernehmbaren Wechsel der Atmung begleitet war.
    «Wann?» sagte er.
    Das Mädchen lachte. «Irgendeinen Tag», erwiderte sie und dehnte es unbestimmt.
    «Jeden Tag», sagte er und schloß seine Tür.
    Ich trat ins Treppenhaus hinaus und beugte mich übers Geländer, eben genug um zu sehen ohne gesehen zu werden. Sie war noch auf den Stufen, erreichte nun den Absatz, und die Flickerl-farben ihres Bubenkopfes, lohfarbene Streifen, Strähnen von Weißblond und Gelb, fingen sich im Treppenlicht. Es war ein warmer Abend, fast schon Sommer, und sie trug ein schmales schlichtes schwarzes Kleid, schwarze Sandaletten, eine halsenge Perlenkette. Ungeachtet ihrer schicken Magerkeit ging etwas wie ein Hauch Haferflockenfrühstücksgesundheit von ihr aus, eine Zitronen- und Seifesauberkeit, ein derbes Blaßrot überschattete ihre Wangen. Ihr Mund war breit, die Nase wies nach oben. Dunkle Gläser löschten ihre Augen aus. Es war ein Gesicht über die Kindheit hinaus, doch noch nicht in die Bezirke des Fraulichen gehörend.
    12
    Ich schätzte sie irgendwo zwischen sechzehn und dreißig; wie es sich herausstellte, scheute sie noch zwei Monate vor ihrem neunzehnten Geburtstag zurück.
    Sie war nicht allein. Da war ein Mann, der hinter ihr herging. Die Art, wie seine fette Hand ihre Hüfte gepackt hielt, wirkte irgendwie unanständig, nicht vom Moralischen, sondern vom Ästhetischen her. Er war kurz und gewaltig, höhensonnegebräunt und pomadisiert, ein Mann in einem haltgebenden Nadelstreifen-Anzug mit einer im Knopfloch welkenden roten Nelke. An ihrer Türe angekommen, kramte sie in ihrer Handtasche herum auf der Suche nach einem Schlüssel und schenkte der Tatsache keine Beachtung, daß seine dicken Lippen ihr Nackendekollete abtasteten. Endlich jedoch, da sie den Schlüssel fand und ihre Türe aufmachte, drehte sie sich freundschaftlich zu ihm um: «Alles Gute, Herzchen - es war goldig, daß Sie mich begleitet haben.»
    «He, Baby!» rief er, denn die Tür ging vor seiner Nase zu.
    «Ja, Harry?»
    «Harry war der andere Kerl. Ich bin Sid. Sid Arbuck. Sie mochten mich doch.»
    «Ich bete Sie an, Mr. Arbuck. Aber gute Nacht, Mr. Arbuck.»
    Mr. Arbuck starrte ungläubig, als die Tür fest ins Schloß fiel. «He, Baby, reinlassen, Baby! Sie mochten mich doch, Baby. Mich mag
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher