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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht
Autoren: Jennifer Estep
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und stellte meine Tasche auf den Boden neben einen großen Weidenkorb. Grandma Frost hatte mir den Korb geschenkt, damit Nyx einen bequemen Ruheplatz hatte, während ich arbeitete. Ich ging in die Hocke und löste die Leine vom Halsband der kleinen Wölfin. Das Halsband selbst blieb dran.
    »Ich muss jetzt arbeiten, also bleib in deinem Korb, okay?«, murmelte ich, während ich sie zwischen den winzigen Ohren kraulte.
    Nyx lehnte sich in meine Hand und gab ein zufriedenes Seufzen von sich. Dann ließ sie sich auf ihren süßen, runden Babybauch fallen, legte sich den Schwanz über das Gesicht und schloss die violetten Augen. Sie war jetzt schon mehrmals mit mir in der Bibliothek gewesen, also kannte sie den Ablauf.
    »Das Fellknäuel hat den richtigen Gedanken«, sagte Vic und verzog seinen halben Mund zu einem heftigen Gähnen. »Weck mich, wenn es Schnitter zu töten gibt.«
    »Etwas anderes würde mir nie einfallen.«
    Vic starrte böse zu mir auf, weil er meinen Sarkasmus durchaus bemerkt hatte. »Hmph!«, schnaubte er, dann schloss er sein Auge.
    Ich ließ Vic in seiner Scheide und lehnte das Schwert neben Nyx. Ich wusste, dass Vic mich trotz seiner schlechten Laune sofort rufen würde, falls er oder Nyx etwas brauchten, und dass Nyx mich sofort holen kommen würde, falls Vic etwas geschah. Mir gefiel der Gedanke, dass die beiden sich gegenseitig den Rücken freihielten, besonders in diesen Tagen, in denen die Schnitter überall und jederzeit angreifen konnten – auch in der Bibliothek der Altertümer.
    Ich ließ mich auf den Stuhl fallen und loggte mich im Computer ein. Dann öffnete ich meine Essenstüte und baute alles vor mir auf. Ich tunkte meine Brezel in die warme Käsesoße und wollte gerade einen großen Bissen nehmen, als sich eine Tür zu dem Bürobereich hinter mir öffnete und ich das Klappern von Lederschuhen auf Marmor hörte. Einen Moment später fiel ein Schatten auf mich, und jemand räusperte sich.
    »Ja, Nickamedes?«
    »Du kommst zu spät, Gwendolyn«, sagte er. »Muss ich das tatsächlich schon wieder sagen? Vielleicht wäre es passender, zu sagen, dass du wie gewöhnlich oder wie immer oder auch zum zigsten Mal zu spät kommst.«
    »Ich bin nicht zu spät«, widersprach ich und wedelte mit meiner Brezel in seine Richtung. »Ich bin bereits seit zehn Minuten in der Bibliothek. Sehen Sie?«
    Nickamedes schnaubte abfällig. »In einer Schlange anzustehen ist nicht dasselbe, wie tatsächlich hinter dem Ausleihtresen zu sitzen und zu arbeiten.«
    Ich verdrehte die Augen. Manchmal erschien es mir, als wären wir beide einfach dazu bestimmt, unterschiedlicher Meinung zu sein.
    »Würdest du mich bitte ansehen, wenn ich mit dir rede?«
    Ich presste die Lippen zusammen, hob den Kopf und blickte zu ihm auf. Der Leiter der Bibliothek sah gut aus, zumindest für einen Kerl Mitte vierzig. Er hatte tiefschwarzes Haar und blaue Augen. Dem dunkelblauen Pullunder, dem Hemd, der Krawatte und den schwarzen Cordhosen, die er trug, zum Trotz konnte man erkennen, wie schlank er war. Wenn ich ihn ignorierte und mich stattdessen auf mein Essen konzentrierte, tat ich das nicht aus Unhöflichkeit. Wirklich nicht. Aber Nickamedes ähnelte seinem Neffen so sehr, dass es mir das Herz zusammenkrampfte. Der Bibliothekar erinnerte mich wieder daran, dass Logan nicht mehr hier war.
    »Danke.« Nickamedes verschränkte die Arme vor der Brust. »Also, wie ich schon sagte, du bist mal wieder zu spät dran, und ich finde, dass …«
    Sofort senkte ich den Blick wieder auf mein Essen. Okay, okay, ich ignorierte seine Moralpredigt total, aber nur, weil er mir exakt denselben Vortrag schon unzählige Male gehalten hatte. Außerdem war ich hungrig. Ich beugte mich gerade vor, um einen Bissen von meiner Brezel zu nehmen, als der Bibliothekar sie mir aus der Hand riss.
    »Hey!«, meinte ich. »Ich esse!«
    »Korrektur: Du wolltest essen«, sagte Nickamedes. »Aber jetzt wirst du Bücher einräumen.«
    Er legte meine Brezel auf die Tüte auf dem Tresen, nahm einen Stapel Bücher von einem Metallkarren und drückte ihn mir an die Brust.
    »Aber …«
    »Kein Aber«, erklärte Nickamedes. »Jetzt Bücher. Essen später.«
    Wieder verschränkte der Bibliothekar die Arme vor der Brust und bedachte mich mit einem strengen Blick. Er stand zwischen mir und meinem Essen, also hatte ich keine Möglichkeit, mir die Brezel zu schnappen, sie mir in den Mund zu schieben und meinen Snack mit zwischen die Regalreihen zu nehmen. Und wenn ich es
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