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Frost

Frost

Titel: Frost
Autoren: John Rector
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und achtlos zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
    Als ich eintrat, schaute sie kurz hoch und sagte: «Hey, Baby.»
    «Wie geht es dir?»
    «Wie immer.»
    Ich stellte mein Werkzeug an der Tür ab, zog meine Arbeitsstiefel aus und ließ mich neben sie auf das Sofa fallen.
    Wir schwiegen eine Weile.
    Im Fernsehen lief ein Film über eine Wespenart, die Spinnen lähmt und ihre Eier in ihrem Körper ablegt.
    Sara sah gar nicht hin.
    Sie war ganz woanders.
    «Hast du heute was gegessen?», fragte ich.
    «Ein bisschen.»
    Vielleicht glaubte ich ihr, aber ich konnte dazu ja auch nicht viel sagen. Ich wusste, dass sie sich bemühte zu essen. Sie konnte nur nichts bei sich behalten.
    «Willst du nicht nochmal zu diesem Arzt gehen?»
    «Wozu? Du hast doch gehört, was er gesagt hat. Die ersten drei Monate sind die schlimmsten. Es wird schon besser werden.»
    «Ist das denn überhaupt das Problem?»
    Sara schloss die Augen. «Hör auf, Nate.»
    Ich wollte noch etwas sagen, aber dann ließ ich es doch lieber bleiben.
    Es wäre ohnehin sinnlos.
    Ich stand auf und ging in die Küche. Dort durchforstete ich alle Schränke, aber alles, was ich fand, war Tomatensuppe. Also öffnete ich eine Dose, kippte den Inhalt in eine Schüssel und stellte sie in die Mikrowelle. Als die Suppe heiß war, trug ich die Schüssel ins Wohnzimmer und stellte sie auf den Tisch.
    «Das hättest du nicht zu tun brauchen», sagte Sara.
    «Du musst etwas essen.»
    Sie richtete sich mühsam auf, beugte sich über die Schüssel und rührte darin herum.
    «Ich weiß nicht.»
    «Versuch’s wenigstens.»
    Sara hob den Löffel, roch daran und ließ ihn zurück in die Schüssel fallen. «Ich kann nicht. Es tut mir leid.»
    Wir schwiegen eine Weile. Dann hob Sara den Blick und sagte: «Denkst du eigentlich auch manchmal, dass Gott uns bestraft?»
    «Nein, das denke ich nie.»
    «Warum nicht?»
    «Ich glaube, dass Gott, wenn es ihn gibt, weit über der Rache steht.»
    Sara sah mich einen Moment nachdenklich an. Dann schaute sie wieder auf den Fernsehschirm. «Ich glaube, dass er uns bestraft. Ich glaube, wir sind verflucht.»
    «Herrgott, Sara.»
    «Das ist mein Gefühl», sagte sie.
    Ich konnte fühlen, wie Wut in mir aufstieg.
    Ich schluckte sie herunter, nahm die Schüssel, trug siezurück in die Küche und kippte die Suppe ins Spülbecken. Die Flüssigkeit strudelte rot in den Ausguss und verschwand. Dann spülte ich die Schüssel aus und stellte sie umgekehrt zum Trocknen hin.
    Im Wohnzimmer lag Sara mit geschlossenen Augen auf dem Sofa. Ich setzte mich neben sie und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. Sie legte ihren Kopf in meinen Schoß.
    Dann war sie eingeschlafen.
    Im Fernseher krochen die winzigen Wespen aus ihren Eiern und fraßen die Spinne bei lebendigem Leib auf.
    Ich schloss die Augen und dachte über Gott nach.

41
    Im Traum saß ich an einem verlassenen Strand und schaute hinaus auf das blau glitzernde, glasklare Meer. Die Brise, die vom Wasser kam, war warm und sanft und so zärtlich wie ein Kuss. Mit geschlossenen Augen hatte ich das Gefühl zu schweben.
    Unten am Wasser stand ein Junge.
    Er war noch klein, ein Kind, und seine blonden Locken ließen den Kopf wie einen explodierten Ball aussehen. In der einen Hand hielt er eine Tüte mit Brotkrümeln, und eine Schar hungriger Möwen schwebte über ihm wie Engel.
    Ich kannte ihn, und ich kannte ihn auch wieder nicht.
    Er griff in seine Tüte und warf eine Handvoll Brotkrümel in die Luft. Die Möwen schossen herab. Er lachte, drehte sich um und rannte den Strand entlang.
    Die Möwen folgten ihm.
    Dann warf er wieder Brotkrümel in die Luft.
    Bald war er weit weg.
    Ich stand auf und ging den Strand entlang, hinter ihm her. Ein schwacher Dunst hing direkt über der Wasseroberfläche, und der Junge schien sich in ihm aufzulösen.
    Ich ging jetzt schneller und rief nach ihm.
    Der Junge blieb kurz stehen, hob dann die Hand und winkte. Kleine Hände wie Seesterne, die sich öffneten und schlossen. Ein Kinderwinken.
    Ich spürte ein Ziehen in meiner Brust und begann zu rennen.Der Junge sah mir dabei zu, dann drehte er sich um und verschwand.
    Ich lief immer weiter.
    Bald ging die Sonne unter, und das Meer wurde schwarz. Der Mond, schwer und geschwollen, hing tief am Horizont und tauchte den Strand in ein kaltes Blau. Die Wellen rollten über den Sand und leckten an meinen Füßen, aber ich schaute nicht nach unten.
    Dann sah ich ihn.
    Er stand ein Stück entfernt von mir und schaute in die Dünen am
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