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Frost

Frost

Titel: Frost
Autoren: John Rector
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nicht viel dabei.
    Endlich hatte sich mein Magen beruhigt. Ich legte den Rest meines Burgers auf den Teller und sagte: «Und, wie hat er es gemacht?»
    Der Mann am Tresen keuchte und hustete.
    «Wie hat wer was gemacht?»
    «Dein Großvater», sagte ich. «Wie hat er sich umgebracht?»
    Sara runzelte die Stirn. «Das ist jetzt aber ein bisschen makaber.»
    «Du musst es mir nicht erzählen.»
    «Es macht mir nichts aus. Das war nur ein Witz.» Sie leckte sich das Fett vom Zeigefinger, deutete damit auf ihren Brustkorb und sagte: «Schrotflinte, genau hierhin. Eine ziemliche Sauerei.»
    «Das ist nicht wahr.»
    Sie schüttelte den Kopf, bündelte mit den Fingern ein paar Pommes, fuhr damit durch einen Klecks Ketchup mit Salz und biss dann davon ab. «Papa sagt, er hat sich umgebracht wie ein Mann, was immer das heißen soll. Meine Großmutter sagt, er hat es so gemacht, weil er bei seiner Beerdigung einen offenen Sarg wollte. Sie sagt, seine größte Schwäche war seine Eitelkeit.»
    «Vermisst du ihn?»
    «Nicht besonders», sagte sie. «Ich war noch klein, und die einzige Erinnerung an ihn, die ich habe, ist, wie ich mit ihmdraußen in seinem Tomatengarten war. Diese Pflanzen waren so riesig, sie schienen endlos weiterzuwachsen.» Sie schaute auf ihren Teller und nahm noch ein paar Pommes. «Das ist eine gute Erinnerung, nehme ich an.»
    Ich sagte nichts mehr. Stattdessen saß ich einfach nur so da und schaute ihr beim Essen zu und versuchte, sie mir als kleines Mädchen vorzustellen, wie sie im Tomatengarten ihres Großvaters stand, sicher und glücklich unter dem weiten blauen Himmel Minnesotas.
    Sara musste etwas in meinen Augen gesehen haben, denn sie lächelte, lehnte sich dann über den Tisch und küsste mich lang und zärtlich.
    Ihre Lippen schmeckten nach Frittenfett und Salz.
    «Ist schon in Ordnung, Baby», sagte sie. «Wir haben doch alle unser Päckchen zu tragen.»
      ***
    Etwas zerbrach hinter mir, und ich drehte mich um.
    Der Mann an der Theke hantierte am Serviettenhalter herum und rang nach Atem. Auf dem Boden lagen Glasscherben. Wasser rann in einem dünnen Rinnsal vom Thekenrand.
    Die Kellnerin kam mit einem Geschirrtuch und sammelte die Scherben ein. Der Mann versuchte etwas zu sagen, aber nach ein paar Worten überkam ihn ein langer, bellender Hustenanfall.
    «Glaubst du, dass es ihm einigermaßen gutgeht?», fragte Sara.
    Ich beobachtete, wie er aufstand und nach einem grünen Rucksack griff, der auf dem Hocker neben ihm lag. Er streifte ihn über seine Schulter und schlängelte sich dann zwischen den leeren Tischen hindurch zu den Toiletten im hinteren Teildes Lokals. Dabei presste er sich ein paar zerknüllte Servietten auf den Mund.
    «Er braucht einen Arzt», sagte Sara.
    «Sieht ganz so aus.»
    «Du solltest nachsehen, ob er okay ist.»
    Ich schaute ihm nach, bis sich die Tür der Männertoilette hinter ihm schloss, dann nahm ich meinen Burger und aß die letzten Bissen. Man konnte immer noch sein Husten hören, wenn auch gedämpft und entfernt.
    Ein paar Minuten später kam die Kellnerin und schenkte uns Kaffee nach.
    Sara bedankte sich bei ihr und fragte: «Geht’s dem Mann gut?»
    «Hört sich nicht so an», sagte die Kellnerin. «Hoffentlich stirbt er nicht dadrin. Ich muss es nach Hause zu den Kindern schaffen, bevor der Sturm kommt.»
    Ich schaute durchs Fenster auf den Parkplatz und sah unser Auto, das schon mit einer dünnen Schicht Schnee bedeckt war. Der Himmel hing dick und grau darüber.
    «Wie schlimm soll es denn werden?»
    «Wie weit müsst ihr?»
    «Reno.»
    Die Kellnerin schnalzte mit der Zunge und sagte: «Wenn ihr euch beeilt, könnt ihr ihm noch davonfahren, aber an eurer Stelle würde ich umdrehen und mich zur I-80 auf den Weg machen.»
    «Mitten in den Schneesturm?» Sara schüttelte den Kopf. «Dieser Weg ist schneller.»
    «Wenn sie die Straße sperren, dann nicht.» Die Kellnerin machte eine Kopfbewegung zum Fenster hin. «Die Schneepflüge schaffen es nicht bis hierher, wenn die I-80 noch nicht geräumt ist. Wenn dieser Sturm so schlimm ist, wie sie sagen,und wenn sie den Highway sperren, dann könntet ihr hier eine ganze Weile festsitzen.»
    Sara sah mich an. Ihre Augen leuchteten grün unter dem fluoreszierenden Licht des Neonschildes. «Was meinst du?»
    «Wie kommt man am schnellsten zur I-80?»
    «Ungefähr fünfzehn Meilen zurück», sagte die Kellnerin. «Vielleicht zwanzig.»
    «Das ist weit», sagte Sara. «Irgendwie verrückt, jetzt einfach umzukehren,
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