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Frost

Frost

Titel: Frost
Autoren: John Rector
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leeren Seifenspender, dann noch einmal, bis das Plastik brach. Er lehnte sich auf den Waschtisch und senkte den Kopf. Seine Schultern hingen schlaff herunter, und ich konnte sehen, wie sie sich mit jedem Atemzug auf und ab bewegten. Schließlich richtete er sich auf und hielt die Hände unter den Wasserhahn.
    «Ist sonst noch jemand hier reingekommen, während ich dadrin war?»
    Ich schaute mich im Waschraum um. Was meinte er damit? Ich brachte kein Wort heraus.
    «In den Diner?» Seine Stimme war schwerfällig und rau. «Ist noch jemand reingekommen, hat sich hingesetzt, einen Kaffee bestellt, vielleicht ein beschissenes Sandwich?»
    «Nein», sagte ich. «Niemand.»
    Der Mann beugte sich vor und spritzte sich Wasser ins Gesicht. Als er hochschaute, konnte ich sein Gesicht im Spiegel sehen. In diesem Licht sah er aus wie eine Leiche.
    «Das ist gut.» Er nahm sich ein Papierhandtuch und wischte sich damit über das Gesicht, ohne den Blick von mir zu wenden. «Was zum Teufel ist eigentlich mit dir passiert?»
    Ich antwortete nicht.
    Der Mann lächelte. «Du siehst aus wie durch den Wolf gedreht.»
    «Ist alles okay bei Ihnen?»
    Der Mann schüttelte den Kopf, dann lachte er leise. «Und du bist ihr kleiner Laufbursche?»
    «Was?»
    «Deine Freundin da draußen, die Brünette.» Er zeigte in Richtung Diner. «Sie hat dich hier reingeschickt, um nach mir zu schauen?»
    «Wir dachten nur   …»
    «Mann, ich wette, du tust alles, was sie sagt, oder?» Er hielt inne. «Ich versteh das. Ich hab euch beobachtet, als ihr reingekommen seid. Die Kleine weiß, was sie will. Und so, wie du aussiehst, kann ich mir vorstellen, dass du es dir mit ihr nicht verderben willst.»
    Ich hob abwehrend die Hände. «Wollte nur freundlich sein, das ist alles.»
    Der Mann zerknüllte die Papierhandtücher und warf sie in den Mülleimer, dann wandte er sich zu mir um und sah mich an.
    Ich widerstand dem Impuls zurückzuweichen.
    «Lass es einfach bleiben», sagte er. «Ich brauche keine neuen Freunde.»
    «Mein Fehler.»
    «Stimmt, dein Fehler. Wenn du also jetzt zu deiner Freundin rausgehst, sagst du ihr, dass es mir gutgeht und dass sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern soll.»
    Er starrte mich an. Ich versuchte, nicht zu zwinkern.
    Es klappte nicht.
    Der Mann setzte sich den Rucksack auf und ging dann an mir vorbei in den Diner.
    Ich stand eine Weile unschlüssig da und starrte die Tür an, die hinter ihm zugefallen war. Ich hätte mich nicht ärgern sollen, aber ich konnte nichts dagegen tun. Wenn Nettigkeit so belohnt wurde, dann hatte ich meine Lektion gelernt.
    Dann ging ich zurück ins Kloabteil und schaute mir das Blut auf dem Boden genauer an. Was dem Typ fehlte, wusste ichnicht genau, aber eins war sicher: Ziemlich bald würde es ein Arschloch weniger auf der Welt geben.
    Das war doch schon mal was.
    ***
    Als ich aus dem Waschraum kam, war der Mann verschwunden. Sara saß immer noch am Tisch. Sie schaute mir erwartungsvoll entgegen.
    «Dem geht’s gut», sagte ich.
    «Das ist alles?»
    «Was willst du denn sonst noch?» Ich nahm die Rechnung und sagte: «Wir müssen noch tanken. Bist du fertig?»
    «Hat er überhaupt irgendwas gesagt?»
    «Was meinst du?»
    «Weiß ich doch nicht», sagte sie. «Irgendwas. Er ist hier fast rausgerannt. Du warst doch nicht irgendwie fies zu ihm, oder?»
    Ich schaute durch das Fenster auf den Parkplatz hinaus. Ein oder zwei Autos standen da, aber den Mann konnte ich nirgends entdecken, zum Glück.
    «Ich hab ihn gefragt, ob es ihm gutgeht, und er hat ja gesagt.»
    «Das war’s?»
    «Das war’s.»
    Sara starrte mich an. «Du verschweigst mir doch was.»
    «Ich hab dir gesagt, was er gesagt hat. Jetzt müssen wir aber wirklich los, wenn wir noch vor dem Sturm wegkommen wollen. Es sei denn, du willst die Nacht hier in diesem Laden verbringen.»
    Sara runzelte die Stirn, wand sich dann aus der Sitzecke heraus und ging zu den Toiletten. «Wir treffen uns vorn», sagtesie. «Aber mit dieser Sache sind wir noch nicht fertig. Du verschweigst mir was, das merke ich doch. Du bist ein ziemlich übler Lügner.»
    «Ich lüge nicht.»
    Sie ging einfach weiter, ohne zu antworten.
    Ich blieb am Tisch stehen und sah ihr nach.
    Sara war keine Schönheit, jedenfalls nicht auf diese Hollywood-Art, aber ihren Gang zu beobachten tat fast weh.
    Wie wenn man etwas Unanständiges anschaut.
    Ein einziges geschmeidiges Gleiten.
    Als sie weg war, kramte ich Geld aus der Hosentasche und legte es auf die
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