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Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche
Autoren: Sara Paretzky
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und Fuller Gibson sind im gleichen Club. Fuller hat ihm ohne
weiteres den Namen Ihres Finanzmaklers genannt. Und dann war es beinahe ein
Kinderspiel, nachzuprüfen, daß die Mitteilung von Agnes an mich der Wahrheit
entsprach: Es stimmt, daß Corpus Christi zwölf Millionen Dollar in Ajax-Aktien
investiert hat, die für die Wood-Sage-Corporation erworben wurden.“
    Eine Zeitlang herrschte Stille. Mrs. Paciorek gab
einen erstickten Laut von sich und sank ohnmächtig auf der Couch zusammen.
Paciorek kam ihr zu Hilfe. O'Faolin erhob sich und schlenderte zur Tür. Ich
stellte mich ihm in den Weg. Er war etwa fünfzehn Zentimeter größer als ich und
vielleicht zwanzig Kilo schwerer, dafür war ich zwanzig Jahre jünger.
    Er versuchte, mich mit dem linken Arm von der Tür
wegzuschieben. Ich packte ihn und riß ihn herum, so daß er in der Vorhalle auf
dem Bauch landete. Meine mühsam unterdrückte Wut stieg in mir hoch. Schwer
atmend wartete ich darauf, daß er wieder auf die Füße kam. Er wich vorsichtig
zurück. Auch noch feige! Die Stunde der Rache war gekommen. Ich konnte ihm die
Augen auskratzen; ich konnte ihm den Ellbogen in den Magen rennen; ich konnte
ihn eine Viertelstunde lang ohrfeigen; ich konnte... Wahrscheinlich hatte ich schrecklich
ausgesehen - eine Furie, bereit, ihr Opfer zu zerfleischen.
    Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner linken
Schulter.
    „Victoria!“
Es war Dr. Paciorek. Er
schüttelte mich leicht. Das brachte mich wieder zur Besinnung.
    O'Faolin war totenblaß. Er rückte seinen Kragen
zurecht. „Sie ist übergeschnappt, Thomas. Rufen Sie die Polizei.“
    Dr. Paciorek ließ mich los. Ich lehnte mich gegen
die Wand. Plötzlich fiel mir mein Plan wieder ein. „Noch etwas. Stefan Herschel
ist heute abend gestorben. Ein weiteres Verbrechen, das auf das Konto dieses
Friedensfürsten geht.“
    Dr. Paciorek runzelte die Stirn. „Wer ist Stefan
Herschel?“
    „Ein alter Herr, ein erstklassiger Graveur, der
unserem Freund Xavier ein gefälschtes Aktienzertifikat verkaufen wollte. Xavier
hat's ihm geklaut, aber erst hat sein Kumpel Walter Novick den alten Mann
niedergestochen. Walter ist der Typ, der gestern angeschossen auf Ihrem Rasen
lag.“
    „Stimmt das?“ wollte Paciorek wissen.
    „Diese Frau ist doch eine Verrückte, Thomas. Sie
werden doch nichts von dem glauben, was sie sagt. Der alte Mann ist tot. Wie
will man da etwas beweisen. Das Ganze ist völlig aus der Luft gegriffen: Ein
Mann wurde erstochen, Corpus Christi kauft Ajax-Anteile, und Figueredo äußert
sich schriftlich zu Investitionsfragen. Stempelt mich das etwa zum Verbrecher?“
    Paciorek war sehr blaß. „Jedenfalls ist Catherine
betroffen. Schließlich wird Corpus Christi hier in Chicago zum größten Teil von
ihr finanziert, dank Ihrer guten Ratschläge. Die Ajax-Aktien wurden mit
Catherines Geld erworben. Vielleicht mußte auch meine älteste Tochter sterben,
weil sie sich mit der Sache befaßt hat. Sie tragen die Schuld, O'Faolin. Sie
haben Catherine in diese Geschichte hineingezogen.“
    „Es wundert mich nicht, daß Sie mir die Schuld in
die Schuhe schieben“, gab der Erzbischof arrogant zurück. „Für Sie war ich ja
schon seit Jahren Catherines böser Geist.“
    Er drehte sich um und ging. Weder ich noch Paciorek
versuchten ihn aufzuhalten. Paciorek machte einen sehr erschöpften Eindruck. „Wieviel
Wahres ist an der Geschichte?“
    „An welcher Geschichte?“ fragte ich gereizt. „Ob
Corpus Christi hinter Wood-Sage steckt? Das ist erwiesen. Und bei der
Finanzaufsichtsbehörde ist Wood-Sage seit letztem Freitag mit einer
fünfprozentigen Beteiligung registriert. Ob Agnes wegen ihrer Recherchen
umgebracht wurde, wird sich wohl nie beweisen lassen. Aber es ist
wahrscheinlich.“
    „Ich brauche etwas zu trinken“, murmelte er. „Monatelang
habe ich keinen Tropfen getrunken, aber jetzt habe ich's nötig.“ Er führte
mich in sein Arbeitszimmer.
    „Wie geht's Chatherine?“
    „Catherine?“ Er schien erst überlegen zu müssen. „Ach,
Catherine. Ihr geht's gut. Es war nur der Schock. Sie braucht mich jedenfalls
nicht.“ Er warf einen Blick auf seinen Alkoholvorrat. „Den Brandy haben wir
gestern ausgetrunken, nicht? Whiskey ist noch da. Trinken Sie Chivas?“
    „Haben Sie keinen Black Label?“
    In dem kleinen Schränkchen war keiner zu finden.
Besser als nichts, sagte ich mir und setzte mich in den Ledersessel.
    „Wie war das mit dem alten Herrn? Dem Graveur?“
    Ich hob die Schultern. „Er ist
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