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Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)

Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)

Titel: Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
Autoren: Vera Sieben
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»Aber was folgt
nach? Ist die Alte nicht genauso schlimm? Die wird den Chefs doch nun an seiner
Stelle das Leben schwer machen.«
    »Das muss
sie erst mal schaffen«, erwiderte die männliche Stimme. »So wehrlos sind wir nicht.
Das haben wir ja oft genug bewiesen.«
    ›Aha‹, dachte
Liv. ›Ein Komplott unter den Angestellten?‹
    Nun kam
die zweite Frauenstimme heraus. Die junge Frau war Margit Jung von der Rezeption,
gekleidet in ein schwarzes Kostüm. Abrupt änderte sich ihre Stimmlage und sie flötete
in Richtung blonde Dauerwelle mit einem künstlichen Lächeln: »Schönen guten Morgen,
Frau Entrup!« Diese aber ignorierte den unüberhörbaren Gruß. Sie ließ von der Brust
des Kommissars ab, rang ostentativ nach Fassung, tupfte sich erneut die Augenwinkel
und schaute ihn von unten erwartungsvoll an.
    Liv hätte
gerne gewusst, was die beiden noch länger zu bereden hatten. Sie mäanderte so durch
den Raum, vorbei am Büfett, hielt Small Talk mit den beschäftigten Männern und Frauen
in weißen Overalls, die Fotos schossen, Proben und Fingerabdrücke nahmen, schaute
aus dem Fenster auf den Teich und näherte sich auf diesem Umweg unauffällig dem
Geschehen – und Frank.
     »Frau Entrup,
woher kommen Sie gerade?«, fragte Frank mit besonders tiefer Stimme.
    »Ich mache
mir solche Vorwürfe. Wenn ich doch nur hier gewesen wäre, hätte ich es vielleicht
verhindern können.«
    »Vielleicht«,
bemerkte Frank trocken.
    Sie verbarg
ihr Gesicht hinter einer Hand, schaute aber bald wieder zu Frank hinauf. »Ich wohne
natürlich sonst bei meinem Ehemann hier im Hotel«, sagte sie und sah ihn lange an,
als ob sie einen Einwand erwartete.
    »Natürlich«,
sagte Frank einfühlsam.
    »Gestern
war ich bei einer Freundin. Sie wohnt auf der Königsallee.« Frank ignorierte die
erwartungsvolle Pause und wusste, dass kaum jemand auf der Kö wohnte, wenn schon,
dann eher in einer Nebenstraße. »Also genauer gesagt, an der Königsstraße, in einer
Nebenstraße, also in der Schadowstraße«, stammelte sie. »Wir hatten unseren monatlichen
Frauenabend. Und da ich ein klein wenig zu viel getrunken hatte, blieb ich dort
– bis zum Frühstück heute Morgen. Aber Herr Kommissar, brauche ich etwa ein Alibi?«
Dabei griff sie mit den langen roten Fingernägeln nach ihrer goldenen Halskette,
an der ein dicker Stein hing, spielte an ihr und schmiegte sich unterwürfig noch
näher heran.
    Liv drohte,
übel zu werden. Dass diese Frau erst wenige Minuten Witwe war und sich so gebärdete,
ließ sie zweifeln, ob sie ihren Mann je geschätzt hatte. Darüber hinaus konnte sie
dieses Verhalten von Frauen noch nie leiden.
    »Reine Routine,
liebe Frau Entrup, aber wie heißt die Freundin und welche Hausnummer hat sie?« Er
schrieb ihre Antwort mit. »Sie sind wie alt, Frau Entrup?« Bei dieser Frage ließ
er in Blick und Stimmlage seinen Charme überquellen.
    »Das fragt
man eine Dame doch eigentlich nicht, oder?« Dabei hatte sie sich so sehr bemüht,
ihre tiefen Falten mit einer dicken Schicht reflektierenden Make-ups zu kaschieren.
Alles umsonst? »Nun gut, ich bin 59, aber das muss unter uns bleiben«, forderte
sie strikt mit einem eingefrorenen Lächeln auf den geschminkten Lippen.
    »Sie sind
25 Jahre jünger als Ihr verstorbener Ehemann.«
    »So bleiben
beide länger jung.«
    ›Vielleicht
werden aber auch beide eher alt‹, brummelte Liv unhörbar in sich hinein. Frau Entrup
jedenfalls meinte, einen guten Witz hingelegt zu haben. Nach dem kurzen Auflachen,
bei dem sie sich, sich der Zuhörerschaft vergewissernd, umdrehte, erinnerte sie
sich wieder ihrer Trauer und tupfte mit dem Taschentuch erneut an den trockenen
Augenrändern herum. Der Kommissar lachte kurz mit, ließ sie jedoch nicht aus den
Augen. Ob sie es schaffte, ihn um den Finger zu wickeln?
    Sie trug
ein Taftkostüm in Gold mit schwarz abgesetztem Kragen. Rote Bänder hielten ihre
üppigen Formen an Taille und Oberarmen zusammen.
    »Ich muss
mich nun aber umkleiden«, sagte sie ernst mit einem Augenaufschlag. »Nur – Schwarz
macht mich so blass, Herr Kommissar. Ich hoffe, Sie können nachfühlen, dass ich
trotz tiefer Trauer um meinen Mann auch etwas Farbe trage. Schließlich muss das
Geschäft ja wie gewohnt weiterlaufen. Ich habe 40 Menschen zu ernähren, Trauertage
können wir uns nicht leisten. Das verstehen Sie doch?« Frank nickte. Sie war zufrieden
und wollte gerade zur Tür hinausgehen.
    Schlagartig
wendete sie sich jedoch in die entgegengesetzte Richtung.
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