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Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)

Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)

Titel: Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
Autoren: Vera Sieben
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wollten. Sie war aber gewillt, sich auf eine neue Selbsterfahrung einzulassen und
ihre eigenen Urteile zu fällen. Sie gehorchte mit leicht angespannten Fäusten den
sanften, der Musik angepassten Anweisungen der Kosmetikerin.
    Bevor Liv
eine Frage stellen konnte, legte Virginia Perle, über deren Namen Liv sich nur kurz
nebenbei wunderte, ihr ein warmes Tuch auf das Gesicht. Das gesamte Gesicht war
bedeckt: Augen, Nase, Mund. Liv bekam durch das Tuch weniger Luft, als ihr in dieser
Situation lieb war. Außerdem sah sie nichts. Während sich ihre Fäuste zunehmend
spannten, versuchte sie, tief zu atmen. Drei Atemzüge, die ihr das warme Tuch in
den Mund saugten, reichten aus. Sie riss sich panisch den Lappen vom Gesicht, richtete
ihren Oberkörper auf und brüllte durch die nun hochgewirbelten Strähnen ihres Pferdeschwanzes
im Gesicht hindurch: »Was soll das? Wollen Sie mich ersticken?«
    Wie überrascht
die Kosmetikerin über ihre Reaktion war, bemerkte sie erst, als sie sah, wie sie
Liv zutiefst erschrocken anstarrte. Sie stotterte auf Platt: »Ach, du Scheiße, Verzeihung,
ich hatte gedacht …« Liv unterbrach sie. »Denken Sie nicht, lassen Sie gefälligst
diese Heimlichkeiten. Ich muss sehen, was Sie mit mir anstellen, ist das klar? Und
achten Sie auf Ihre Wortwahl!«
    »Jawohl«,
kam leise zur Antwort. »Aber die anderen Gäste mögen dieses Entspannungstuch und
wenn ich etwas von dem Duftöl nachsprühe. Tut mir leid«, fügte sie an, nahm das
Tuch beiseite und wischte sich, leise fluchend, damit den eigenen Schweiß von der
Stirn.
    »Bei mir
hat das leider eine andere Wirkung. So ist jeder Mensch anders. Ich möchte wissen
und sehen, was auf mich zukommt. Sagen Sie mir, was Sie tun, lassen Sie mich zusehen
und wir beide werden prima miteinander zurechtkommen. Alles klar, Frau Perle?« Liv
strich sich ihre Haarsträhnen aus dem Gesicht und fügte, ohne eine Antwort abzuwarten,
an: »Zudem täte es sicher auch den anderen Gästen gut, wenn Sie wenigstens ein Loch
zum Atmen freilassen – oder zum Sprechen.«
    Klare Worte
hatten noch niemandem geschadet. Zumindest Liv nicht, und das war ihr in diesem
Augenblick wichtiger als eine freundliche Grundstimmung.
    Virginia
Perle ließ das Vorspiel mit dem warmen Handtuch, ging über zu Programmpunkt zwei
– Ausreinigung –. Doch kaum hatte sie dieses Wort ausgesprochen und Livs in Falten
geworfenes, puren Ekel ausdrückendes Gesicht gesehen, zog sie es empathisch vor,
diesen Punkt zu überspringen. »Eine Ausreinigung ist bei Ihnen gar nicht so dringend.
Das lassen wir weg und ich beschränke mich auf die Gesichtsmassage.« Liv nickte
stumm und hatte prompt den Mund wieder frei, um Fragen zu stellen.
    Mit zittrigen
Fingern massierte Virginia Livs Gesicht in sanften Kreisbewegungen.
    ›Warum ist
sie so nervös?‹
    War es nur
wegen der schroffen Ansage, dass Liv nicht alles mit sich machen ließ? Oder steckte
mehr dahinter?
    Virginia
Perle fragte ihr Programm durch. Die Frage, welche Creme Liv sonst nahm, hatte sie
geduldig und wahrheitsgemäß mit Fettcreme beantwortet. Nur leider drohten sich hier
wieder Livs Vorurteilsplätze zu bestätigen.
    »Sie sollten
mehr für sich tun, Ihre Haut benötigt mehr Pflege.«
    »Ist da
nicht schon Hopfen und Malz verloren?«, fragte Liv, die keinesfalls auf Komplimente
hoffte.
    »Nein, nein.
Ihre Haut ist in den letzten Jahren nur etwas vernachlässigt worden«, erläuterte
Virginia Perle routiniert. »Mit einer richtig abgestimmten Pflege kann man Ihre
winzigen Fältchen glätten und Sie sehen viel frischer aus. Ich werde Ihnen noch
etwas empfehlen. Aber jetzt genießen Sie einfach. Ich massiere Sie und rege Ihre
Durchblutung an.«
    ›Prima.
Sie sagt mir, was sie gerade tut. Mehr will ich nicht. Mir ist auch egal, wenn meine
Karteikarte nun mit einem Totenkopf markiert ist.‹
    Als sie
dabei war, ihre Stirn zu massieren, kam Liv direkt auf den Punkt: »Hat sich der
Senior auch mal unter Ihre Hände begeben?«
     
    Die fließende Handbewegung von Virginia
Perle stockte abrupt.
    »Wie meinen
Sie das denn?«
    »Die Frage
ist doch eindeutig, oder? Hat er hier die Einrichtungen für sich genutzt?«
    Virginia
Perle wandte sich von Liv ab, suchte nach irgendetwas im Regal. Eher beiläufig sagte
sie: »Er wollte immer abnehmen und war oft im Fitnessraum. Ich hatte nicht viel
mit ihm zu tun, nur mit seiner Frau. Wenn die hier ist, nutzt sie das gesamte Angebot
von oben bis unten – natürlich gratis, ohne Trinkgeld zu
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