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Fröhliche Zeiten

Fröhliche Zeiten

Titel: Fröhliche Zeiten
Autoren: Oliver Hassencamp
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die sich die Freistaatler angeschafft hätten, um ihn abzusägen, seien wohl erst noch beim Schärfen.

    Uns gefiel das. Mit diesem Prinzen konnte man Lachsalven austauschen. Was in einer anderen Zeitung stand, ließ uns allerdings daran zweifeln.

    ...Der Prinz verließ mit Jungelfern und kleiner Garde nach zehn Minuten wieder das Lokal. Verkleidete Spione der Narrhalla waren im Saal verteilt und schauten dem Volk auf das Maul. Das Ergebnis ihrer aufopfernden Tätigkeit: Die Narrhalla sagte eine für Donnerstag geplante Sondersitzung, die sich mit der Revolution befassen sollte, ab und gab auch keine Erklärung ab...

    »Die Republikaner haben sich selbst so blamiert, daß jede weitere Maßnahme Leichenfledderei wäre — wir versetzen keine Tiefschläge«, war am Vormittag im Brustton der Überzeugung von den Narrhallesen zu hören. So viel aufatmende Fairneß machte uns stutzig. Die Narrhalla und ihr nahestehende Zeitungen betrachteten die Revolution als gescheiterten Scherz für einen Abend. Nur weil der Prinz zu spät kam. Dabei war die Proklamation doch erst die Ouvertüre. Wenn die Gegenseite das nicht begriff, mußten wir’s ihr beibringen. Mit neuen Aktionen.
    Bei einem Auftritt im Fernsehen belehrte ich als Humorbeamter potentielle Ballbesucher über korrekte Ausgelassenheit mit allen Rechten und Pflichten, die zu verwaltetem Frohsinn gehören, beziehungsweise zu ihm führen.
    Zuschauer lachten; die Narrhalla schwieg. Betrachtete sie uns ernsthaft als Feinde? Wir erwogen, den Prinzen anzurufen und ihm zu sagen, wie wir’s meinten:
    Laßt uns die Parodie eines Machtkampfes durchspielen mit täglichen Erfolgsberichten beider Seiten in den Zeitungen. Etwa so: In der letzten Nacht haben die Republikaner die Faschingshochburg im Haus der Kunst erobert. Tausende schöner Frauen fielen ihnen in die Hände und um den Hals.
    Dazu die Gegenseite: Prinz Albrechtl. und seine Narren verteidigten die Faschingshochburg im Deutschen Theater mit List und Eros. Eindringende Republikaner wurden von Gardemädchen so lange mit Orden behängt, bis deren Gewicht sie zu Boden zog.
    Es sollte Zusammenstöße geben, Kanonaden mit Sektkorken, Entführungsversuche und am Aschermittwoch gemeinsame Siegesfeier beim traditionellen Fischessen. Das hätten wir dem Prinzen sagen wollen. Der hatte Humor. Doch er regierte ja nicht allein.
    Um die eingefädelte Zwietracht zu retten, wandten wir ans an den Chefredakteur der Abendzeitung. Tatsächlich brachte der Monarchisten und Republikaner zu ernsthaften Humorverhandlungen an einen Tisch. Wir hatten leider nichts zu lachen. Man hielt uns für gefährlich. Wir hätten uns der Schlagwörter einer echten Revolution bedient — hieß es. Unser Gegenargument: Daran erkenne man die saubere Parodie — verfing nicht.
    Ein Obernarr griff mich wegen meines Fernsehauftritts an. Ich weiß es noch wörtlich:
    »Was Sie da gesagt haben, ist beleidigungsklagereif. Da kommen Sie nicht mit einer Geldstrafe davon. Das gibt Gefängnis .«
    »Danke«, sagte ich. »Genau so habe ich mir Fasching vorgestellt .«
    Es half nicht. Mit jeder schnellen Antwort vertieften wir nur den Graben. Zwar wurde gelächelt, auch blinzelten Kontrahenten einander zu, die Tollität vor allem, doch der Krieg im Saal wurde verweigert, der Apparat war zu schwerfällig.
    Wo Ballveranstalter Prinzeneinzüge für viel Geld bestellt haben, darf s keine Störung geben. Die hat man nicht bestellt. Wenn da nicht jeder merkt, daß es Spiel ist, wer trägt dann die Kosten für die Pleite?
    Eine bierernste Zeitungsumfrage, was Münchner vom Fasching ohne Prinzepaar halten, hatte uns Gänsehaut in die Lachfalten getrieben. Da hieß es aus Akademikermund:

    ... ich würde es jedenfalls sehr bedauern, wenn den Münchner Fasching künftig kein Prinzenpaar mehr regieren würde. Im Haus der Kunst kann man den Fasching ruhig so weiter feiern wie bisher (Anmerkung: ohne Prinzeneinzug, nur mit heißer Musik), aber sonst soll der bürgerliche Fasching in München nicht untergehen...

    Prinzenpaar, Prinzengarde und Narrhalla sind alter Münchner Faschingsbrauch, der meiner Meinung nach unbedingt beihalten werden muß — meinte eine Zugereiste, nicht ahnend, daß der Prinz importiert wurde wie deutsche Könige auf dem Balkan.
    Und ein Direktor befand:

    Seit Generationen zählen wir uns zu den Münchner Bürgern. Wir haben deshalb ein Recht darauf, daß die alte Tradition weiterhin bestehen bleibt. Münchner Fasching ohne das Prinzenpaar wäre ein Witz
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