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Fröhliche Zeiten

Fröhliche Zeiten

Titel: Fröhliche Zeiten
Autoren: Oliver Hassencamp
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Brunnenhoftheater auf der Bühne gestanden, ohne nennenswerten Mißerfolg, hatten als Schwarzhändler dagegen kläglich versagt.
    An dem zunächst vielversprechenden Versuch, kurz vor der Währungsreform einige hundert Flaschen Himbeergeist aus nicht mehr rekonstruierbarer Quelle mit Gewinn zu veräußern, wären fast unser beider Lebern betriebsuntauglich geworden.
    Nachgerade dilettantisch seriös fühlten wir uns im allgemeinen Betrugsklima verpflichtet, die Ware vor Weiterverkauf zu prüfen. Nicht stichprobenweise, sondern durch ein Schlückchen aus jeder Flasche. Ärzte fanden für unser reelles Geschäftsgebaren eine völlig andere Bezeichnung. Sie sprachen von Alkoholvergiftung. Es blieb nicht bei diesem Schlag. Das Geschäft scheiterte — der Abnehmer war plötzlich verschwunden.
    Die Erinnerung an diesen Verlust ist lückenlos. Schon beim Duft von Himbeergeist rebelliert noch heute der gesamte Organismus. Ich kann hier mit gutem Gewissen für den Ex-Kollegen Benecke sprechen, der sich später nach Süden abgesetzt hat. Er betreibt in Spanien ein Restaurant. Sollte auf der Getränkekarte von Don Knut unter Spirituosen kein Himbeergeist zu finden sein, wäre das nur zu verständlich.
    In die Rolle des Gastronomen war er geschlüpft, um eine Zeit ohne Engagement zu überbrücken. Er half aus, entdeckte dabei unvermutete Talente und nutzte sie, bis aus der Überbrückung Beruf wurde. Da ihm das Grundstück, auf dem die Arche stand, nicht gehörte und er an Asthma litt, war die Auswanderung eine Existenzfrage. Seine Freundin und Kollegin ging mit. Als seine Frau. Schicksale zeigten sich damals deutlicher. Was man ist, das ist man geworden. Gelernt hat man’s nicht, um es zu werden. Probieren ging — wie man so sagt — über Studieren. Mancher arbeitete sich in eine Tätigkeit ein, die sich ergab, weil er in der Nähe wohnte. Oder frei nach dem immer hilfreichen Geheimrat Goethe: Keiner kennt seine Kräfte, ehe er sie nicht versucht hat. — Kräfte, die er, ohne Not vor eine Berufswahl gestellt, nie bei sich vermutet hätte.
    Und so lächelt heute mancher über planmäßige Ausbildung. Nicht nur bei Akademikern, wo die Speicherfähigkeit des Gehirns honoriert wird, unbesehen innerer Beziehung zum Metier, dem Talent, etwas Eigenes damit anzufangen, von Lust am Risiko gar nicht zu reden.
    Heute geht es um Sicherheit. Löblich gewiß, doch für ein langes, zufriedenes Berufsleben etwas wenig. Die angeblich betrogene Generation lächelt zuletzt. Ihre Aussichtslosigkeit war ein elementarer Ansporn. Aus Handicap wurde Vorsprung.

    Im Schlafzimmer des Staatsintendanten Curth Hurrle (Theater am Gärtnerplatz) nistet ein Schwalbenpärchen, das auf vier Eiern brütet.

    Kommentar:
    Diese Ganz Privat- Meldung der Münchner Abendzeitung aus dem Jahr 1952 erhellt in zu Herzen gehender Weise die noch immer angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt. Daß Schwalben ungehindert in den Intimbereich eines gehobenen Staatsdieners Vordringen konnten, war für den Bürger beruhigend. Er wußte sich in der jungen Demokratie geborgen. Hier wurde der Wiederaufbau gerecht vorangetrieben. Schäden in den Behausungen wichtiger Persönlichkeiten hatten keinen Vorrang.
    Der Staatsintendant selbst und seine Frau gewannen zusätzliche Sympathien. Einerseits als Tierfreunde, indem sie das Schwalbennest ließen, das ihr eigenes Nest erheblich bekleckerte, andererseits als Kulturschaffende. Sie waren keine Mief Schläfer hinter geschlossenen Gardinen, keine verqueren Stubenhocker. Sonst hätten sich die sensiblen Vögelchen einen anderen Nistplatz ausgesucht.
    Ihr Verbleib bewies das Niveau ihres Hauptmieters. Gerade ein Theatermann braucht in seinem fensterlosen Musentempel einen gelüfteten Kopf, um das Schwingungsspiel auf der Bühne in Harmonie zu bringen. Schwalbendreck ist gewiß ein seltenes, gleichwohl überzeugendes Lob für die Qualitäten eines künstlerischen Menschen.

    Ideen waren damals alltäglich. Auch beim Bayerischen Rundfunk. Die folgende Zeitungsmeldung mag es belegen. Ein Mitarbeiter des Senders hatte vorgeschlagen, als Gegenstück zu der Sendreihe Die Regierung spricht eine andere, Die Regierten sprechen, einzuführen. »Ich finde«, sagte er, »daß für den einfachen Staatsbürger, der hilflos der Staatsmaschinerie gegenübersteht, ein Forum geschaffen werden müßte, in dem er zu Wort kommt. Allerdings nicht bei privaten Nörgeleien, sondern nur in Fragen, bei denen es sich um einen echten Konflikt zwischen Bürger und
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