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Frisch gemacht!

Frisch gemacht!

Titel: Frisch gemacht!
Autoren: Susanne Fröhlich
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das, Kinder sollten nicht gedrillt
werden. Du richtest die Claudia ja ab, als wäre sie ein Welpe. Würde mich nicht wundern, wenn die, auf dein Kommando, bald noch bei Fuß geht«, sagt sie. Warum eigentlich nicht, hätte doch was, denke ich und halte dann den Mund. Inge ist unverbesserlich. Eine unverbesserliche Besserwisserin. Da kann sie bei mir schlecht landen, denn auch ich neige zur Besserwisserei. Die meisten Mütter tun das. Es macht das Leben leichter zu denken, man wäre auf der richtigen Seite. Auch das Thema Sauberkeitserziehung ist eines, bei dem man wunderbar streiten kann.
     
    Claudia war in dieser Hinsicht leider nicht die Schnellste. Erst kurz vor Kindergartenbeginn hat sie die Windel ablegen können. Samuel David Konstantin geht mit Windel in den Kindergarten. Inge ist das kein bisschen peinlich: »Wieso sollte mir das unangenehm sein? Er macht gerne in die Hose, er mag das halt, Samuel hat ein unverkrampftes Verhältnis zu seinen Ausscheidungen.« Claudia hatte auch keine Probleme mit der Windel. Aber ich. Irgendwann langt es. Drei Jahre lang Windeln wechseln ist genug. »Setze ihn jede Stunde aufs Klo, dann kapiert er es irgendwann, so habe ich es auch mit Claudia gemacht«, gebe ich Inge schlaue Ratschläge. »Wenn er mag, wird er gehen, wenn sein Körper und sein Geist bereit sind«, ist sie nicht mal beleidigt. Inge hat nichts gegen Ratschläge. Sie interessieren sie schlicht nicht. Außerdem war Inge auf einem Seminar zum Thema Sauberkeitserziehung. Seitdem weiß sie genau Bescheid: »Kinder, die zu früh aufs Töpfchen gezwungen werden, bekommen emotionale Probleme. Neigen zur Zwanghaftigkeit und zu Depressionen«, klärt sie mich auf. Wahrscheinlich werden solche Seminare von
Windelfirmen heimlich subventioniert. Außerdem: Sieht es dann nicht für ganze Generationen wirklich schlecht aus? Meine Mutter hat mich mit knapp einem Jahr erstmals aufs Töpfchen gesetzt, und den meisten meiner Generation ging es genauso. Bin ich zwanghaft, neurotisch und depressiv? Wahrscheinlich irgendwie schon. Vielleicht fällt es auch nur nicht auf, weil eben alle neurotisch, zwanghaft und latent depressiv sind. »Müsstet ihr die Windeln noch per Hand waschen, wären eure Kinder auch sauber«, hat mir meine Mutter an den Kopf geschmissen, und ich glaube, da ist was dran.
    Kinder sauber zu kriegen ist ein knallhartes Geschäft. Vor allem die ersten Ausflüge ohne Windel. Kinder müssen immer dann, wenn das nächste Klo unerreichbar ist. In Schuhgeschäften, auf der Autobahn, Kilometer entfernt vom nächsten Parkplatz oder im Supermarkt. Natürlich setze ich Claudia vor jedem Ausflug nochmal auf die Toilette. Nichtsdestotrotz hat sie immer genug Reserven, um garantiert unterwegs eben mal aufs Klo zu müssen. Das grausigste Erlebnis dieser Art hatten wir zwei damals auf dem Weg zu meiner Freundin Heike nach München:
     
    Nach einer Viertelstunde auf der voll befahrenen A 3 Richtung Süden piepte es vom Kindersitz: »Mama, ich muss Kacka.« Welch frohe Botschaft. Und wie gut, dass wir genau vor fünf Minuten auf der Rastanlage waren. »Eben habe ich dich gefragt, ob du musst, und du hast nein gesagt«, ärgere ich mich. »Ich hab eben nicht gemusst«, setzt sie sich zur Wehr, »aber jetzt muss ich ganz doll.« »Kannst du es bis zum nächsten Parkplatz aushalten?«, frage ich
schon etwas freundlicher. »Nein«, kommt es kläglich von hinten, »ich muss doll, ganz doll.« Jetzt gibt es nur noch zwei Möglichkeiten: Es geht sprichwörtlich in die Hose, oder ich halte auf dem Standstreifen. Ich wähle den Standstreifen, schon weil ich ziemlich geruchsempfindlich bin. Standstreifenaufenthalte sind nicht ungefährlich. Gerade vor zwei Wochen ist ein Familienvater beim Aussteigen von einem LKW überfahren worden. Ähnliche Horrorszenarien schwirren mir sofort durch den Kopf. Tod durch »ich muss mal«. Trotzdem: Es muss eben sein.
     
    Angeheizt durch Claudias: »Es kommt schon«, mache ich den Warnblinker an, fahre so weit nach rechts, bis ich bald im Graben liege, und zerre meine Tochter, die natürlich auf der Autobahnseite sitzt, so vorsichtig wie möglich aus dem Wagen. Drei Meter neben mir donnern die Autos vorbei. Geschwindigkeit ist eine sehr relative Angelegenheit. Beim Fahren kommen mir 100 Stundenkilometer so vor, als würde ich kriechen, jetzt hier habe ich das Gefühl, auf dem Hockenheimring zu stehen. Kaum habe ich Claudia an einem relativ sicher erscheinenden Plätzchen, reiße ich ihr die Latzhose
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