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Friesenrache

Friesenrache

Titel: Friesenrache
Autoren: authors_sort
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wird Ihnen das bestätigen. Mein Vater hatte keinen Funken Anstand, nicht einmal wenn es um die eigene Familie ging.«

    Tom hatte recht behalten. In der Gastwirtschaft, die sich etwas zurückgelegen auf einem kleinen Hügel an der Dorfstraße befand, war die Hölle los.
      Normalerweise war die Wirtschaft zu dieser Tageszeit gar nicht geöffnet, aber aufgrund der letzten sensationellen Ereignisse hatte der Wirt, der sich das gute Geschäft nicht hatte entgehen lassen wollen, die Türen aufgesperrt, als die ersten Gäste vehement gegen das Glas der Eingangstür geklopft und nach einem Klaren verlangt hatten. Nach und nach waren immer mehr Leute aus dem Dorf in die kleine Gaststube geströmt, um sich über die neuesten Nachrichten auszutauschen. Das Bier und der Schnaps flossen in rauen Mengen. Hitzige Diskussionen über den möglichen Tatvorgang waren bereits in vollem Gange, als die drei Freunde die Gastwirtschaft betraten.
      »Moin, Moin«, grüßten sie in die Runde, und Haie rief dem Wirt zu, dass er ihnen zwei Bier und einen Grog für Marlene bringen sollte. Dann zwängten sie sich durch das im Gastraum herrschende Gedränge zu einem der hinteren Tische, an dem Tom und Marlene noch einen Sitzplatz ausgemacht hatten.
      »Mensch«, stöhnte er. »Die Gerüchteküche ist ja ganz schön am Kochen.«
      Der Wirt kam und brachte die bestellten Getränke. Dabei versäumte er nicht, die Neuankömmlinge auf den neuesten Stand zu bringen.
      »Hett jem all hört? Kalli hamse dod in Ingwers Maisfeld gefunnen. Mit 'nem Häcksler hett Ingwer ihn ufgabelt. Gruselig, sech ick euch!«
      Haie lehnte sich über den Tisch.
      »Und weiß man schon, wie datt passiert is?«
      Der Wirt zuckte mit den Schultern. Bekanntlich hielt er sich aus konkreten Spekulationen, was die Geschehnisse im Dorf anging, raus. Selten ergriff er für die eine oder andere Seite Partei; hielt sein Fähnchen immer schön in den Wind. Schließlich lebte er davon, dass die Leute, egal welche Ansichten oder Meinungen sie vertraten, zu ihm kamen und notfalls, wenn kein anderer ihren Klatsch und Tratsch hören wollte, zumindest der Wirt ein offenes Ohr für sie hatte und ihnen dabei meist reichlich Bier und Korn einschenkte. Doch ihr Tischnachbar, ein älterer grauhaariger Mann, kam dem Inhaber der kleinen Gastwirtschaft bereitwillig zu Hilfe.
      »Ich hab gehört, dass Kalli schon dod gewessen sein muss, bevor der Häcksler ihn …« Er machte ein paar schmatzende Geräusche. »Wahrscheinlich hat der da schon länger gelegen.«
      »Nee, das kann nich sein«, schaltete sich nun ein weiterer Gast unaufgefordert in das Gespräch ein. »Am Dienstag war der Kalli noch beim Stammtisch. Wahrscheinlich hat sein Bruder ihn auf dem Heimweg abgepasst.«
      »Der Friedhelm? Nie im Leben! Wie kommst du denn darauf?«
      Marlene und die Männer verfolgten interessiert das Geschwätz der beiden Tischnachbarn.
      »Na, weil der Kalli doch rumerzählt hat, dass er wieder beim Anwalt gewesen sei und seinem Bruder nun wegen dem Erbe die Pistole auf die Brust legen wollte.«
      »Die haben sich ums Erbe gestritten?«, fragte Haie.
      »Na und wie«, bestätigte nun der ältere, grauhaarige Mann, »aber trotzdem glaub ich nich, dass der Friedhelm den Kalli … Da hatten noch ganz andere gute Gründe, nich Ernst?«
      »Was willst du denn damit sagen?« Auf dem Gesicht des Angesprochenen bildeten sich rote Flecken.
      »Na, nur, dass du auch 'nen Hass auf den Kalli hattest. Hat er dir beim Skat nicht etliche Fennen abgeluchst?«
      »Glücksspiel?«, warf Marlene unvermittelt fragend in den Raum.
      Doch der Grauhaarige winkte ab. »Normalerweise spielen wir nur um Pfennigbeträge. Zum Spaß. Aber manchmal ist es eben doch hoch hergegangen.«
      »Und der Kalli hat dann die Fennen von Ihnen gewonnen?«, hakte Tom nach.
      »Ja, aber deswegen bring ich ihn doch nicht gleich um! War doch meine eigene Dummheit«, verteidigte sich nun der andere. »Außerdem war ich nicht der Einzige, der verloren hat. Der Ingwer selbst hat etliches Land an den Kalli abtreten müssen!«
      »Und deshalb hab ich ihn mit dem Häcksler aufgegabelt, oder was?«
      Unbemerkt war der Landwirt, der am Morgen die Leiche in seinem Maisfeld gefunden hatte, an den Tisch getreten. Überrascht blickten sie zu ihm auf.
      »Der Kalli war schon tot, als die Maschine ihn zu fassen gekriegt hat. Oder meint ihr, der hat zum Spaß da zwischen dem Mais gelegen?«

    *
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