Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Friesenrache

Friesenrache

Titel: Friesenrache
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Dienststelle zu nehmen. Von ihm erhoffte er sich weitaus relevantere Informationen als von der Witwe. Diesen Umstand behielt er jedoch wohlweißlich für sich.
      »Mit Ihnen, Frau Carstensen, spreche ich dann morgen«, erklärte er lediglich, ehe er sich umdrehte und mit Ulf Carstensen im Schlepptau das Wohnzimmer verließ.

    Das rot-weiße Absperrband flatterte unruhig vom Wind getrieben hin und her. Tom, Marlene und Haie standen am Rand des Maisfeldes und blickten schweigend auf den Feldhäcksler, der selbst aus dieser Entfernung wie ein riesiges Monstrum wirkte.
      »Möchte gar nicht wissen, wie Kalli wohl ausgesehen hat, als Ingwer ihn zwischen den Metallzähnen gefunden hat. Bestimmt kein schöner Anblick«, äußerte Haie nach einer Weile laut seine Gedanken.
      Marlene verzog angewidert das Gesicht bei der Vorstellung an den verstümmelten Leichnam.
      »War er denn noch ganz?«, fragte Tom.
      »Keine Ahnung, kann ich mir aber schwer vorstellen. Weißt du, wie scharf die Metallklingen sind? Da macht das ›ssst‹, und ab ist das Bein.«
      »Haie«, versuchte Marlene, die makaberen Ausführungen zu unterbrechen. Sie hatte keinerlei Verständnis für die nüchternen Spekulationen der Männer. Wie konnten sie hier stehen, wo vor wenigen Stunden die Leiche von Haies Schulfreund entdeckt worden war, und den Grad der Verstümmelung erörtern?
      »Was denn?« Haie drehte sich um. »Durch den Häcksler kann die Polizei wahrscheinlich nur schwer feststellen, was denn nun die wirkliche Todesursache war. Das verdammte Ding hat die ganze Angelegenheit deutlich komplizierter gemacht.«
      »Ach«, wertete Tom den Umstand des entstellten Leichnams leichthin ab, »die Medizin und Polizei haben heute mehr Möglichkeiten, als wir uns vorstellen können. Selbst aus den kleinsten Hinweisen leiten die heutzutage mehr ab, als man sich denken kann.«
      »Ja, aber manchmal übersehen die auch was«, konterte Haie und hob das flatternde Plastikband hoch. Er bückte sich und kroch unter der Absperrung hindurch. Tom und Marlene blickten sich kurz an, ehe sie dem Freund zögernd folgten.
      Aus der Nähe betrachtet, wirkte die große Erntemaschine noch bedrohlicher. Haie untersuchte eingehend die Metallzähne des Mähvorsatzes.
      »Hier ist Blut. Das bedeutet doch, dass Kalli noch nicht lange tot gewesen sein kann, oder?«
      »Keine Ahnung. So gut kenne ich mich nicht aus«, antwortete Tom und drehte sich zu Marlene um, die nicht nachgekommen war. Sie tat, als suche sie den Boden nach irgendwelchen Spuren ab.
      »Vielleicht hätten wir sie daheim lassen sollen«, bemerkte Haie, »das Ganze wühlt doch einiges in ihr auf.«
      Tom nickte. Ein Mord hatte immer etwas Unheimliches an sich, besonders wenn der Mörder noch frei herumlief. Marlene hatte sich jedoch seit der Ermordung ihrer Freundin verändert. Das war nur zu verständlich. So ein Einschnitt im Leben ging nicht spurlos an einem vorüber, an niemandem. Dennoch hatte er das Gefühl, dass durch Heikes Tod auch ein Stück von Marlene verschwunden war. Nicht, dass er sie deshalb weniger liebte, das auf keinen Fall. Aber ihre einst so unbekümmerte Art, ihr ansteckendes Lachen und ihre strahlende Freude kamen seitdem äußerst selten zum Vorschein. Sie war stiller geworden, hatte sich ein wenig zurückgezogen. Er hatte gedacht, dass sich das mit der Zeit legen würde, und manchmal hatte er auch das Gefühl, sie sei endlich wieder die Marlene, die er vor etwas mehr als vier Jahren kennengelernt hatte. Aber Vorfälle wie dieser schienen ihre langsam wieder aufkeimende Unbeschwertheit erneut zu ersticken.
      »Was hast du da?« Sie kniete am Boden und hielt ein Stück Papier in den Händen.
      »Ich glaube, das ist nichts.« Sie reichte ihm den Papierschnipsel. Undeutlich konnte man darauf einige Wortfetzen entziffern.
      »Sieht aus, wie ein Stück von einem Brief.«
      »Ja, das hier könnte ›Lieber‹, ›Liebe‹ oder so etwas Ähnliches heißen.« Sie war aufgestanden und deutete mit dem Finger auf die verschwommene Schrift.
      »Gibt es noch mehr Schnipsel?« Tom kniete sich nieder und suchte den Boden ab.
      »Nein, ich hab auch schon geschaut. Wahrscheinlich ist das auch nur Müll, ist immerhin zerrissen.«
      »Aber lange kann es dennoch nicht hier gelegen haben. Sonst könnte man vermutlich gar nichts mehr entziffern.« Er stand auf und steckte das Papierstück in seine Hosentasche.
      »Kommt, lasst uns mal sehen, was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher