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Friesenrache

Friesenrache

Titel: Friesenrache
Autoren: authors_sort
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jemand Kalli hatte absichtlich sterben lassen. Vielleicht handelte es sich bereits bei dem vermeintlichen Unfall um Mord. Wer konnte das schon sagen?
      Sofort stellte er Überlegungen an und bezog auch die anderen Landwirte in den möglichen Täterkreis mit ein, denen der Verstorbene beim Glücksspiel verschiedene Ländereien abgeluchst hatte.
      Thamsen zog fragend die Augenbraue über seinem rechten Auge hoch. »Ist Ihnen auch etwas über die Maisversuche bekannt, die Kalli Carstensen angeblich durchgeführt haben soll?«
      Nun war Haie es, der verblüfft dreinschaute.
      »Nee, was für Maisversuche?«
      Der Kommissar berichtete, was Carstensens Sohn darüber ausgesagt hatte. Auch von der Anzeige, die Barne Christiansen gegen den Landwirt wegen der unerlaubten Veräußerung des Probemais erstattet hatte, erzählte er seinem interessierten Gegenüber, dessen Augen bei dem Bericht immer größer wurden. Thamsen hatte sich die entsprechende Akte angefordert, bisher allerdings noch nicht die Zeit gefunden, einen Blick hineinzuwerfen.
      »Ach, Barne hat Kalli angezeigt?«
      »Kennen Sie ihn?«
      »Nicht besonders gut. Halt aus Schulzeiten«, antwortete Haie und fügte hinzu, er habe von Barne nichts mehr gehört, seitdem dieser aus dem Dorf weggezogen sei.
      »Ich glaub, das war kurz nachdem seine Frau starb.«
    »Willst du Sophie nicht doch anrufen?«
      Irmtraud Carstensen stand im Türrahmen zum Wohnzimmer und blickte auf ihren Mann, der auf dem grünen Samtsofa saß und so tat, als lese er die Tageszeitung. Kurz zuvor hatte sie ihn jedoch, während sie leise an dem Raum vorbeigeschlichen war, teilnahmslos an die Wand starren sehen.
      Sie stemmte ihre Hände in die Hüften.
      »Ich verstehe nicht, wie man so stur sein kann!«
      »Was verstehst du schon?« Friedhelm Carstensen blätterte die Seiten des ›Nordfriesland Tageblatt‹ durch.
      Sie spürte, wie ihr die aufsteigende Wut den Atem nahm, und schluckte. Ja, was wusste sie schon? Dass ihr Mann ein gefühlskalter Stein war? Dass er nicht einmal angesichts des Tods seines Bruders auch nur irgendeine Gefühlsregung zeigte?
      Die Information hatte sie gestern am frühen Nachmittag erreicht. Ulf hatte angerufen. Friedhelm war ans Telefon gegangen, verärgert über die Störung seines wohlverdienten Mittagsschlafs. Völlig emotionslos hatte er die Neuigkeiten hingenommen, lediglich ein kurzes ›Hm‹ gemurmelt und aufgelegt. Als sie ihn gefragt hatte, was passiert sei, hatte er lediglich gesagt: »Kalli ist tot.«
      Die Nachricht hatte sie wie ein Schlag ins Gesicht getroffen. Ihr Schwager? Tot?
      »Sie haben ihn in Ingwers Maisfeld gefunden«, hatte Friedhelm Carstensen mit gleichgültiger Stimme erzählt, nachdem sie gefragt hatte, was geschehen war.
      Sie war geschockt gewesen. Nicht nur über Kallis Tod, sondern auch über die Reaktion ihres Mannes. Gut, die beiden Brüder hatten seit Langem ein schwieriges Verhältnis zueinander, welches anscheinend nach dem Ableben der Mutter durch den heftigen Erbstreit noch angespannter geworden war. Worum es allerdings in diesem Streit wirklich gegangen war, hatte sie tatsächlich nicht begriffen. Sie konnte zwar verstehen, wie sehr Friedhelm an dem Hof hing, aber der war nun einmal auch eine Menge Geld wert. Und wenn ihr Mann nicht so stur wäre, würde er sich eingestehen müssen, dass ihnen eine finanzielle Spritze momentan mehr als gut täte.
      Außerdem würden seine Erinnerungen nicht mit dem Verkauf des Hofes erlöschen, jedenfalls nicht ihrer Ansicht nach. Und wenn er das dachte, dann müssten ihm durch den Tod des Bruders auch sämtliche Kindheitserinnerungen verloren gehen. Das allerdings schien ihn nicht allzu sehr zu schmerzen.
      Irmtraud Carstensen fragte sich in letzter Zeit immer öfter, ob sie den Mann, mit dem sie seit über 20 Jahren ihr Leben teilte, eigentlich wirklich kannte. Er war ihr so fremd geworden, insbesondere seitdem dieser Erbstreit ausgebrochen war. Häufig war er ungeduldig, wurde zum Teil sogar aggressiv. Oder hatte das bereits früher begonnen und es war ihr nur nicht aufgefallen? Nicht dass er ihr gegenüber jemals die Hand erhoben oder Ähnliches getan hätte, aber sie stritten viel, und oft wurde es dabei sehr laut. Wegen jeder Kleinigkeit fuhr er aus der Haut. Der Streit um das Erbe konnte dafür kaum der einzige Grund sein.
      »Mal abgesehen davon, dass der Verlust deines Bruders dich eigentlich zumindest ansatzweise traurig
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