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Friedhof New York

Friedhof New York

Titel: Friedhof New York
Autoren: Jason Dark
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noch durch.«
    »Laß dir damit Zeit.«
    Uns ging es im Prinzip nicht schlecht. Wir waren nicht einmal gefesselt, aber wir konnten uns trotzdem nicht bewegen, denn zwischen uns und der Gestalt am Bug stand eine Wand, die nicht einmal sichtbar war.
    Jemand mußte sie als unsichtbares Hindernis durch seine Träume aufgebaut haben, und wir fuhren ebenfalls durch eine alptraumhafte Welt. Sie konnte nur von Jericho stammen.
    Unser Blick reichte bis zur Küste, wo sich eine dunkle Silhouette abzeichnete. Sie bestand aus zahlreichen Gebäuden und war wahrscheinlich eine unterschiedlich hohe Reihe von Wolkenkratzern, die allesamt nicht beleuchtet waren und wie die Urwelttiere einer modernen Zeit wirkten. Das mußte New York sein. Eine riesige Stadt, die längst gestorben war, denn wir entdeckten kein Leben in ihr.
    Keine Geräusche. Kein Hupen, keine Autos, keine Menschen, die etwas riefen, nur diese drückende Stille, die sonst auf Friedhöfen ihren Platz fand.
    Das war Jerichos Welt. Dort fühlte er sich wohl. Da konnte er sein gesamtes Grauen ausspielen, seine Kraft einteilen und für seine Rache üben.
    Wir sahen aber auch die Freiheitsstatue. Sie machte einen schlimmen Eindruck. Sie war geknickt, der Arm mit der Fackel hing herab. Die Krone, sonst als Aussichtsturm für Besucher eingerichtet, zeigte kein Licht. Ihre Strahlen waren verbogen, und die gesamte Gestalt schien den Untergang New Yorks zu betrauern.
    Ein Alptraum ohne Licht und ohne Freude, durch den wir glitten. Obwohl wir uns in permanenter Bewegung befanden, hatten wir beide den Eindruck, nicht von der Stelle zu kommen. Wir glitten dahin, aber wir blieben trotzdem stehen. Auch diese Tatsache gehörte eben zu den Besonderheiten des Alptraums.
    Das Ufer rückte nicht näher.
    Aber der Himmel veränderte sich. Bisher war er schwarzgrau gewesen, nun trat die Farbe etwas zurück, ohne daß er heller wurde. Er änderte nur seinen Ton.
    Ein kaltes Dunkelblau bedeckte ihn. Und dort oben malten sich Szenen ab, als würde ein besonders schlimmer Horrorfilm vor unseren Augen ablaufen. Es war das Grauen schlimmer Folterkammern.
    Menschen wurden gequält. Es waren die Männer, die das alles träumten und sich dort selbst wiedersahen. Blut spritzte in die Höhe, Knochen brachen, Schreie gellten auf, mußten aufgellen, doch sie waren von uns nicht zu hören.
    Es waren einfach die stummen Schreie der Gefolterten. Man stellte uns bereits auf unser Schicksal ein, deshalb gab uns Jericho auch die Gelegenheit, hinzuschauen und alles Grausame mitzuerleben.
    Abe schüttelte immer wieder den Kopf. »Das darf nicht wahr sein, John. Verdammt, das ist doch Irrsinn! Wie können wir als lebende Menschen in dieser Traumwelt gefangen sein?«
    »Jericho macht es möglich.«
    »Und weiter!«
    »Seine Magie.«
    Abe wollte lachen, das aber blieb ihm im Hals stecken. Er zeigte nach vorn auf den Rücken der Gestalt. »Ist er das? Ist das Jericho? Sag es mir, John!«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Er sieht doch anders aus. Dieser Hundesohn mit der Sense ist ein Skelett. Und weißt du auch, wo ich ihn schon gesehen habe? Weißt du das?« Er funkelte mich an.
    »Ich kann es mir denken.«
    »Ja, ich sah ihn auf den alten Bildern des Mittelalters. Das ist der Sensenmann, John. Man kann ihn auch anders nennen. Es ist der Tod, unser Tod!«
    »Da könntest du recht haben. Jericho ist geschickt. Er will uns fertigmachen, indem er uns unser Schicksal vor Augen hält.«
    »Dann kämpfen wir dagegen an.«
    Ich zog die Beretta und hielt sie Douglas hin. »Bitte, Abe, nimm die Waffe und schieß.«
    Er zögerte. Blickte unsicher auf mich und die Beretta. »Wieso denn?«
    »Ändere das Schicksal.«
    »Indem ich den Tod töte?« Er mußte diesmal lachen. »Ist das nicht einfach paradox!« Ich zeigte es ihm und schoß.
    Der Knall hörte sich anders an. Dumpfer, auch leiser, als wäre er von der Umgebung verschluckt worden. Wahrscheinlich war die Kugel auch aus dem Lauf gejagt, so genau hatte ich das nicht mitbekommen können, aber sie hatte nichts erreicht. Der Sensenmann blieb am Bug stehen, und die Sense blinkte wie ein schräg stehender Halbmond über seinem Kopf. »Soviel zu unserem Schicksal«, sagte ich.
    Abe stöhnte auf. Er schlug mit beiden Händen auf die Planken. »Sind wir dann verloren? Müssen wir uns fügen?«
    »Ich hoffe nicht.«
    »Dann laß dir etwas einfallen!«
    Das war gut gesagt, aber es gab im Moment keine Chance. Ich hatte es schon versucht und mein Kreuz gezogen, doch schon beim ersten
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