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Frevelopfer

Frevelopfer

Titel: Frevelopfer
Autoren: Arnaldur Indriðason
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wohnt?«
    »Nein.«
    »Vielleicht weißt du von irgendwelchen Freundinnen, die bei ihm übernachtet haben?«
    Der Vermieter kratzte sich am Kopf. Es war kurz nach Mittag, er hatte sich gerade eine Pferdemettwurst einverleibt, und jetzt saß er satt und zufrieden gegenüber von Elínborg auf dem Sofa. Elínborg hatte die Essensreste auf dem Teller in der Küche gesehen. Der übel riechende Kochdunst hing immer noch in der Wohnung, und Elínborg befürchtete, dass er sich in ihrem Mantel festsetzen würde, den sie gerade erst im Ausverkauf erstanden hatte. Sie wollte sich auf keinen Fall lange in der Wohnung des Vermieters aufhalten.
    »Daran kann ich mich nicht erinnern«, sagte der Vermieter schließlich. »Ich glaube nicht, dass ich ihn jemals mit einer Frau gesehen habe.«
    »Du hast ihn wohl nicht besonders gut gekannt?«
    »Nein«, sagte der Vermieter. »Ich habe ziemlich bald gemerkt, dass er in Ruhe gelassen werden wollte. Er wollte für sich sein. Deswegen … Nein, ich habe kaum Kontakt zu ihm gehabt.«
    Elínborg stand auf. Sie sah, dass Sigurður Óli an der Tür des gegenüberliegenden Hauses mit den Nachbarn sprach. Andere Angehörige der Kriminalpolizei vernahmen die übrige Nachbarschaft.
    »Und wann kann ich in der Wohnung Klarschiff machen?«, fragte der Vermieter.
    »Bald«, entgegnete Elínborg. »Wir geben dir Bescheid.«
    Runólfurs Leiche war bereits am Abend vorher abtransportiert worden, doch die Leute von der Spurensicherung waren noch bei der Arbeit, als Elínborg und Sigurður Óli am Morgen nach dem Leichenfund in die Wohnung kamen. Alles deutete darauf hin, dass dort ein ordentlicher junger Mann gewohnt hatte, der Wert auf ein schönes und wohnliches Zuhause gelegt hatte. Elínborg spürte, dass er sich Mühe mit der Einrichtung gegeben hatte, davon zeugten die Porzellanteller an der Wand, die ein wenig seltsam in der Wohnung eines jungen Mannes wirkten, und der schöne Teppich auf dem Parkettboden. Sofa und Sessel passten zueinander. Das Badezimmer war zwar klein, aber geschmackvoll eingerichtet, im Schlafzimmer stand ein Doppelbett, und in der Küche, die direkt neben dem Wohnzimmer lag, war alles makellos sauber. Es gab keine Bücher oder Familienfotos in der Wohnung, dafür fielen ein großer Flachbildschirm und drei gerahmte Plakate mit den Superhelden Spiderman, Superman und Batman ins Auge. Außerdem standen auf einem Tisch Plastikfiguren von verschiedenen berühmten Superhelden.
    »Und wo wart ihr, als das passiert ist?«, fragte Elínborg, während sie sich die Plakate ansah.
    »Ganz nett«, sagte Sigurður Óli, der ebenfalls die Superhelden betrachtete und Elinborgs Frage ignorierte.
    »Ich finde das ziemlich albern«, sagte Elínborg.
    Sigurður Óli beugte sich zu einer ziemlich neu wirkenden Stereoanlage hinunter, neben der ein iPod lag.
    »Nano«, erklärte Sigurður Óli, »alles vom Feinsten.«
    »Diese ganz dünnen?«, fragte Elínborg. »Mein jüngerer Sohn behauptet, die seien viel zu winzig. Keine Ahnung, ob das stimmt, ich hab noch nie so ein Ding angerührt.«
    »Das sieht dir ähnlich«, erklärte Sigurður Óli und putzte sich die Nase. Er war nicht in Bestform, denn er schlug sich schon seit einiger Zeit mit einer Grippe herum, die er einfach nicht wieder loswurde.
    »Na und?«, fragte Elínborg, während sie in der Küche den Kühlschrank öffnete. Der Inhalt war ziemlich armselig und legte Zeugnis davon ab, dass der Besitzer keinen besonderen Wert auf gutes Essen gelegt hatte. Eine Banane, eine Paprika, Käse, Marmelade und amerikanische Erdnussbutter, Eier und ein angebrochener Liter Magermilch.
    »Hat der Mann keinen Computer besessen?«, fragte Sigurður Óli einen der beiden Männer von der Spurensicherung, die noch in der Wohnung arbeiteten.
    »Den haben wir mitgenommen«, antwortete der Mann. »Aber wir haben noch nichts gefunden, was dieses Blutbad erklären könnte. Habt ihr schon von dem Rohypnol gehört?«
    Der Mann von der Spurensicherung sah die beiden fragend an. Er war um die dreißig und hatte sich weder rasiert noch gekämmt. »Ungepflegt« war das Wort, nach dem Elínborg suchte. Sigurður Óli, der immer tipptopp gekleidet war, hatte einmal missbilligend erklärt, dass es heutzutage offenbar angesagt sei, so schlampig herumzulaufen.
    »Rohypnol?«, wiederholte Elínborg und schüttelte den Kopf.
    »Er hatte etwas in der Jackentasche, und außerdem liegen noch einige Tabletten auf dem Wohnzimmertisch«, sagte der Mann von der Spurensicherung,
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