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Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)

Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)

Titel: Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)
Autoren: Harald Martenstein
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verärgert. »Sie haben bei uns jedenfalls eine Lobby«, sagte sie. »Wir vom mittleren Management können nicht immer nachvollziehen, was die da oben umtreibt. So viele sympathische Typen beißen ins Gras, und kein Hahn kräht danach. Sie haben bestenfalls ein, zwei gute Momente gehabt und kriegen die zweite Chance. Echte Gerechtigkeit gibt’s nur in der Hölle. Also los, hopp, hopp, zurück in die Eifel. Wir setzen wieder ein in dem Moment, in dem Sie zu Ihrer Tochter loslaufen, durch den Schnee. Ihr Gedächtnis an die Vorfälle gerade eben wird selbstverständlich gelöscht. In Ihrer Todesstunde dürfen Sie sich meinetwegen an mich erinnern, viel Spaß dabei. Wir sorgen dafür, dass Ihre Schuhe rutschfeste Sohlen bekommen. Bedanken Sie sich nicht, ich mache nur meinen Job.«
    Bevor Holz die Sinne schwanden, sagte die Frau: »Für Sie geht die Geschichte erst mal gut aus, Holz. Was die Menschheit insgesamt betrifft, bin ich da nicht so sicher. Schon mal was vom Weihnachtsmörder gehört?«

Der Weihnachtsmörder, Teil zwei
    Schon so spät? Um fünfzehn Uhr schließen sie heute. Eine Viertelstunde haben wir noch, das reicht, um meine Geschichte zu Ende zu erzählen. Bestellen Sie noch eine heiße Schokolade. Es ist keine der üblichen Geschichten, das haben Sie ja schon gemerkt, nichts mit Rentieren, Chorgesang und pausbackigen Engeln. An Weihnachten passieren die komischsten Sachen.
    Als ich erwischt wurde, hatte ich gerade einen abgehalfterten Punkrocker mit dem geschredderten Inhalt seiner CD -Sammlung ausgestopft und neben den Baum gesetzt. Neben ihm saß seine Lebensgefährtin, eine fünfundzwanzigjährige Ex-Tabledance-Weltmeisterin aus Puerto Rico. Die zwei sahen aus, als ob sie noch lebten. Er hatte sogar seine Gitarre in der Hand, wahrscheinlich hielt er sie zum ersten Mal richtig. Ihr habe ich Engelsflügel angeklebt. Man nennt das, glaube ich, Body Art. Körper als Material, Schockeffekte.
    Ästhetisch habe ich mir nichts vorzuwerfen. Ich habe immer versucht, kreativ zu sein und auf der Höhe der Zeit. Ich bin auch nicht grausam. Gegen diesen Vorwurf wehre ich mich. Bei mir geht es für die Opfer immer ganz schnell. Wenn die eines natürlichen Todes gestorben wären, Krebs, Schlaganfall, dann hätten sie deutlich mehr Stress gehabt. Gut, ich habe ihnen ein paar Jahre gestohlen, aber Schmerz und Leid habe ich ihnen, unterm Strich, eher erspart. Ich finde, bei einem sogenannten Mord muss man eine Tatsache immer berücksichtigen: Die Leute sterben irgendwann sowieso. Ich tue also nichts, was unnatürlich oder widernatürlich wäre. Die Opfer erleiden keinen Nachteil, den sie, ohne mich, nicht ebenfalls erlitten hätten. Ich bin hundertprozentig bio.
    Erfahrung ist immer hilfreich. Wenn Sie eines Tages mal ermordet werden sollten – seien Sie froh, wenn Sie an keinen Anfänger geraten. Oder, noch schlimmer, an einen Fanatiker. Kühl, sachlich, schnell in der Ausführung, verspielt und originell in der Präsentation der Ergebnisse. Das ist meine Philosophie.
    Als ich am Tatort die letzten Details richtete, wusste ich schon: Das Haus ist umstellt. Ich hätte abhauen können. Ich verfüge über Möglichkeiten, von denen habt ihr keine Ahnung. Aber ich bin mit erhobenen Händen hinausgegangen, so, wie die es verlangt haben. Die Kommissarin war richtig glücklich. Das war endlich mal ein Mensch, den ich glücklich gemacht habe.
    In der Vernehmung habe ich die Wahrheit gesagt. Ich lüge nie. Ich heiße Bernhard und bin der neue Messias. Ich bin ein Menschenfischer. Ich schicke Menschen mit der Eilpost ins Himmelreich. Und am Ende opfere ich mich für euch. An die Toten erinnert man sich. Jesus, Kennedy, John Lennon, Sid Vicious, ohne ihren Tod wären die alle doch nur halb so groß. Kein Kult ohne Tod, so einfach ist das.
    Ihr opfert mich, oder ich opfere mich selbst, je nachdem, wie man es betrachtet. Und das rüttelt euch auf. Das macht euch nachdenklich.
    Sie haben eine Anwältin geholt, die sagte, ich soll mir keine Sorgen machen, ich müsse nicht ins Gefängnis. Einen klareren Fall von Unzurechnungsfähigkeit habe es in der Rechtsgeschichte noch nicht gegeben. Ich habe geantwortet, dass es mich kränkt, für verrückt gehalten zu werden, und habe sie ins Himmelreich geschickt, das dauerte keine fünf Sekunden.
    Von da an musste ich dicke Handschellen tragen und Fußfesseln. Das hat dem zweiten Anwalt aber auch nicht viel genützt. Sie haben mich in einen Käfig gesetzt, und Anwältin Nummer drei hat immer
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