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Freude am Durchblick

Freude am Durchblick

Titel: Freude am Durchblick
Autoren: Ursula Buechler , Klaus Juergen Becker
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wertfrei beobachten.
    Auf einmal wurde mir klar, warum ich einen Schielfehler hatte: Meine Augen, repräsentativ für meine Eltern, konnten nicht stressfrei auf ein und denselben Punkt schauen, sondern drifteten auseinander. Das linke Auge zog es nach unten, das rechte Auge wollte nach oben schauen. Mein Schielfehler war also ein Ausdruck der nicht kompatiblen Lebenshaltungen meiner Eltern.
    Ich erkannte, dass es keine Lösung war, sich ausschließlich für das Vaterauge zu entscheiden. Mein Mitgefühl forderte mich vielmehr auf, meine Mutter – in mir – von ihrem Leiden zu erlösen. Dies bedeutete für mich, die Programme beider Eltern in mir zur Deckung zu bringen.
    Ich wollte die Fröhlichkeit. Ich wollte die Lebensqualität, die mir mein Vater mitgegeben hatte. Ich fühlte mich eher wie mein Vater und war immer schon ein Vaterkind gewesen. Ich sah ihm nicht nur sehr ähnlich – auch mein Verhalten entsprach eher meinem Vater. Ich erkannte, warum die Anteile meiner Mutter in mir bisher keinen angemessenen Raum bekommen hatten.
    Ich vertiefte mich in das, was ich gerade erlebt hatte. Ich spürte noch einmal den bisher unterdrückten Anteil meiner Mutter in mir. Ich wusste, dass ich diesen Anteil annehmen und heilen musste, um stressfrei zu sehen und zu leben.
    Mein Experiment ging weiter. Kann ich etwas tun, um diesen Zustand zu verändern? Ich schloss die Augen und visualisierte ein Licht. Ich entdeckte, dass ich dieses Licht eher mit dem rechten Auge wahrnahm, während das linke Auge sich trübe anfühlte, wie ein dunkler Novembertag. Ich stellte mir vor, wie ich in meinem rechten Auge einen Rucksack packte mit Essen, Getränken, Blumensamen, Licht und ganz viel freudigen Artikeln. Mit diesem Rucksack wanderte ich in der Vorstellung über eine Brücke an die Stelle, welche die rechte und die linke Gehirnhälfte verbindet, den Pons, und weiter in mein linkes Auge. Dort packte ich in Gedanken meinen Rucksack aus, quasi als Geschenke, die ich meiner Mutter
darbrachte. Ich stellte das Licht dorthin und streute Blumensamen. Sinnbildlich: Ich brachte Licht in die Dunkelheit. Dieses Bild ließ ich auf mich wirken.
    Als ich die Augen öffnete, konnte ich mit dem linken Auge schon eine deutliche Verbesserung wahrnehmen. Ich folgerte: Depression und Traurigkeit bedeuten Abwesenheit von Licht. Ich entzündete also in mir selbst ein Licht. Es ging mir ein Licht auf.
    Meine bisherige Vorstellung war: Klares Wasser auf der einen Seite und trübes Wasser auf der anderen. Öffne ich die Schleusen, so bringe ich klares und trübes Wasser zusammen und es gibt keine Klarheit mehr. Denn das trübe Wasser fließt in das klare und verunreinigt es.
    Mir wurde mein Trugschluss bewusst. Die Wahrheit ist: Bringe ich das Licht von der klaren, hellen Seite in die dunkle, so trage ich Licht in einen dunklen Raum und er wird erhellt. So werden beide Räume erhellt. Sinnbildlich: Eine einzige Kerze kann einen ganzen Raum erhellen. Aber es gibt keine Dunkelheit, die einen hellen Raum verdunkeln kann.
    Das Mitgefühl für meine Mutter öffnete sich noch weiter durch diese Erkenntnis. Was meine Mutter in mir hinterlegt hatte, war offenbar das Ergebnis ihrer Vergangenheit, ihrer Erlebnisse, ihrer Programme und emotionalen Erfahrungen, die wiederum auch mit ihren Eltern, meinen Großeltern, zu tun hatten. Meine Mutter war ja selbst einmal – so wie auch ich – ein kleines Kind gewesen, das sich nach Annahme und Wärme von ihren eigenen Eltern gesehnt hatte, und war zudem durch den Krieg gegangen. Meine eigenen Gefühle, meine eigenen Emotionen, die ich meiner Mutter entgegengebracht oder verweigert hatte, waren das Resultat meiner bisherigen subjektiven Wahrnehmung.
    Ich dachte mir: So wie ich meine Programme und Verhaltensmuster von meinen Eltern übernommen habe, werden meine Eltern es von ihren Eltern übernommen haben, und auch sie sind das Resultat der emotionalen Programme ihrer Eltern. Das heißt, meine Ahnen sind in mir immer lebendig. Mit diesen Gedanken begab ich mich zurück in Richtung Seminarraum.
    Die Erfahrung in der Mittagspause im Juli 2000 war für mich ein Schlüsselpunkt in meinem Leben. Fast 50 Jahre lang war es mir nicht möglich gewesen, Mitgefühl für meine Mutter zu empfinden. Dieses Mitgefühl für meine Mutter erleben zu können, war für mich eine Erlösung und ein Geschenk zugleich.
    Meinen Eltern war es ein Leben lang nicht gelungen, emotional aufeinander zuzugehen und eine wirklich tiefe harmonische
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