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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht
Autoren: Nancy Kress
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verriet
angespannte Erwartung. Ayrid konnte sich keinen Reim darauf machen.
SaSa kehrte ihnen den Rücken zu und warf nicht mal einen kurzen
Blick über die Schulter.
    »Dahar, was ist mit dir und SaSa? Worauf wartet
ihr?«
    »Du zitterst ja. Ich hätte eher… Du mußt
nicht frieren. Sieh mal.« Er hielt ihr eine kleine Wroffscheibe
hin.
    Ayrid berührte sie mit der Fingerspitze.
    »Wir haben keinen Burnus«, sagte Dahar ungewöhnlich
ruhig. »Viel bewegen kannst du dich noch nicht, und du bist an
die Wärme gewöhnt. Bleib still liegen, Ayrid.«
    Er zeigte ihr, wie man die Scheibe anlegte und daraus einen Anzug
machte. Sie empfand eine kurze Panik, als das Wroff sie
umhüllte, doch dann spürte sie wieder die angenehme
Wärme von R’Frow; der Anzug schirmte sie gegen die
Kälte ab und gegen den naßkalten Boden, auf dem sie
lag.
    »Lahab hat auch so einen Anzug. Er kann ihn mit SaSa
teilen.«
    Ayrid sah genauer hin und entdeckte den dünnen, schwachen
Schimmer, der das Mädchen umgab; SaSa trug ihn bereits.
    Plötzlich hob Dahar den Kopf. Ein dumpfes Rumpeln kam von
R’Frow. Dahar hatte sie so abgesetzt, daß sie auf
R’Frow sah; er stand mit dem Rücken zur Stadt und
ließ Ayrid nicht aus den Augen.
    Aus dem Rumpeln wurde ein Poltern und aus dem Poltern ein Donnern,
das immer lauter, immer heller wurde. Oben brach Licht aus
R’Frow. Dahar ballte die Fäuste. Er sah sich nicht um, und
Ayrid sah ihm an, wieviel Kraft ihn das kostete.
    In dem aufblühenden Licht tauchte plötzlich SaSa vor ihm
auf, den kleinen Körper gestrafft, die Augen undurchdringlich
wie schwarz glasierte Murmeln. Ayrid hatte sie noch nie mit so fester
Stimme reden hören.
    »Ich beanspruche das Schwert der Ehre. Ich habe Ayrid…
dieses Ding gebracht, das sie gebraucht hat, um die Mauer
aufzumachen, als sie zu dir wollte. Was großzügig
gewährt wird, muß großzügig erwidert
werden.«
    Lahab starrte die jelitische Hure von der Seite an.
    SaSa ließ sich nicht beirren. In der unheimlichen
Helligkeit, die R’Frow verbreitete, wirkte das winzige Gesicht
wie aus weißem Stein gemeißelt. Für Ayrid, die vor
SaSa und Dahar am Boden saß, sah es aus, als färbe sich
die Luft hinter den beiden weiß, als sei sie aus Glas gewebt,
zerbrechlicher noch als die blaurote Doppelhelix, deren Windungen
sich aus den Händen des Stadtgerichts bis in dieses Exil
schraubten, Ayrids Exil, doch die Windungen hatten auch den Krieger
und die Kriegerhure erfaßt…
    Ayrid nahm die Finger der rechten Hand in die linke.
    SaSa wiederholte: »Was großzügig gewährt
wird, muß großzügig erwidert werden.«
    Dahar stand auf. Das Licht über R’Frow wurde
plötzlich gleißend weiß, die Savanne war taghell
erleuchtet. Ayrid hörte Talots Aufschrei an dem anderen Feuer.
Dahar, der dem Schauspiel nach wie vor den Rücken kehrte, sagte
zu SaSa: »Was großzügig gewährt wird, muß
großzügig erwidert werden.«
    Ayrids wroffverkleidete Finger tasteten nach Dahars Stiefel; Dahar
nahm keine Notiz davon.
    Das helle, rollende Donnern verstieg sich zu einem grellen
Winseln. Das weiße Licht wölbte sich langsam in den
Himmel, und während es sich dehnte, ergleißte ganz
R’Frow zu einer solch schmerzhaften Helligkeit, daß Ayrid
die geschlossenen Augen mit der Hand bedeckte.
    Der Boden unter ihr warf sich; eine tiefe, heftige
Erschütterung, wie aus dem Herzen Quoms, warf sie zu Boden. Sie
sah einen Baum peitschen, hörte ihn splittern, und dann warf
sich der Boden erneut, heftiger noch. Ein Wimmern und Jammern lief
über die Savanne, das nicht von Tieren stammte, darüber der
nahe, spitze Schrei einer Kemburi. Die Glut des Lagerfeuers barst zu
orangeroten Sternschnuppen. Eine landete im frostigen Gras neben
Ayrid und blieb schwelend liegen…
    Es war finster, es blieb still, es war vorbei. Und da, wo
R’Frow den Himmel verdeckt hatte, glänzten die Sterne.
    In die Stille hinein sagte SaSa mit fester Stimme: »Ich will
dahin, wo er hergekommen ist. Der große Weiße. Ich
möchte, daß ihr mich dorthin bringt. Du und Ayrid. Was
gewährt wird, muß erwidert werden.«
    Vor SaSa lag der Hügel, auf dem eben noch R’Frow
gestanden hatte, doch ihr Blick hing unverwandt an Dahars Lippen, und
in der schwarzen Glasur ihrer Augen spiegelte sich nichts von den
Erdstößen und der Vernichtung der Gedstadt. Hatte SaSa
soviel Unbegreifliches erlebt, fragte Ayrid sich verstört,
daß sie durch nichts mehr zu erschüttern war, daß
ihr nichts mehr Angst machte? Und gesetzt den Fall,
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