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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht
Autoren: Nancy Kress
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das erste, wonach sie bei der
überstürzten Packerei geschnappt hatte, die ihr
großzügig erlaubt worden war –, dann kletterte sie
wieder ans Ufer.
    Die Jelitin stand mit dem Rücken zum Fluß, als
hätte sie einen Stock verschluckt. Ayrid war das delysische
Kichern und Frotzeln über die Kriegerinnen nicht entgangen, aber
wenn sie sich wirklich so zugetan waren, wie man sich erzählte,
was hatten sie dann gegen den Anblick einer nackten Frau?
Achselzuckend fischte Ayrid ihre Beinkleider vom Boden und den Tebel.
Die Kleider stanken. Sie hockte sich ans Wasser und schrubbte sie mit
der groben Seife, dann zog sie die ausgewrungenen Sachen an. Den Rest
würde die Sonne besorgen.
    Die stark laugehaltige Seife wütete wie ein Feuer in der
geschundenen Hand. Ayrid besah sich die geschwollenen Fingerspitzen
und die tieferen, gröberen Schnitte im Daumenballen. Die Stellen
waren entzündet; gut möglich, daß sie noch winzige
Splitter von Embris Glas enthielten.
    Frühmorgen – wo war Embri jetzt? Bestimmt nicht im
Glashof, den die Stadtsoldaten in Schutt und Scherben gelegt hatten.
Wahrscheinlich war sie bei Najli. Najli war die Schwester von Ayrids
verstorbener Mutter. Ihr hatte sie Embri anvertraut. Wie immer Najli
über die Schande dachte, die sie, Ayrid, über die
mütterliche Linie gebracht hatte, für das leibliche Wohl
von Embri war gesorgt. Aber wie würde Najli mit der
Verstörtheit eines Kindes umgehen, das von seiner Mutter
verlassen worden war? Wie mit Embris Scham? Wo Embri sich doch sonst
jedes Weinen verkniff, weil man mit elf zu alt war für
Tränen…
    »Gehen wir«, sagte Ayrid schroff, doch Jehanna war nicht
mehr da. Sie hatten die Stelle noch nicht erreicht, ab der Jehanna
ihr den Schutz aufgekündigt hatte, aber das unwegsame
Gelände hatte Jehanna verschluckt. Ayrid beschattete ihre Augen
und spähte mit zusammengekniffenen Augen in die Richtung, in der
die Mauer lag. Die Jelitin war nirgends zu sehen. Sie zog ihre
Stiefel an, schulterte den Reisesack und machte sich allein auf den
Weg.
    Nur wenige Schritte, und sie vernahm Stimmen, die sich
näherten.
    Männerstimmen, sie kamen ihr entgegen. Ayrid blickte sich
hastig um, doch die Stimmen schienen ihr näher zu sein, als sie
gedacht hatte, und sie wurden rasch lauter. Sie stand an einer
ungeschützten Stelle am Flußufer; ehe sie noch ein
Versteck ausmachen konnte, traten die Männer unter den
Bäumen heraus. Es waren zwei, sie trugen delysische Tebel,
obwohl sie so dunkelhäutig waren wie Jeliter. Als sie Ayrid
erblickten, blieben sie stehen.
    »Sieh an«, sagte der eine. Er hatte sich tagelang nicht
rasiert; in dem fleischigen Gesicht saßen kleine, stechende
Augen. »Bist du allein?«
    »Unwahrscheinlich«, sagte der andere. Er war kleiner,
die baumelnden Hände zuckten. Seine Nase war krumm, als sei sie
gebrochen gewesen und falsch zusammengewachsen.
    »Mein Liebhaber jagt in der Nähe«, sagte Ayrid. Sie
wollte kurzentschlossen um die beiden herumgehen, wobei sie den Sack
vor den Bauch nahm.
    »Komm jetzt, Ralschin«, sagte der Kleinere
ängstlich. Sein Blick huschte über die Savanne.
    »Noch nicht. Du bist ziemlich naß, Hübsche. Das
Wasser muß ganz schön kalt sein auf deiner hübschen
Haut?«
    Der andere sagte säuerlich: »Und ich dachte, die Mauer
hätte dich entmannt, Ralschin.«
    »Halt den Mund.« Er grinste Ayrid an, es war das
hämische Grinsen eines Mannes, der sich in der Rolle des
Stärkeren und Schnelleren gefiel.
    Ayrid sagte vorsichtig: »Ich komme aus Delysia.«
    Ralschin lachte. »Und bist unterwegs zur Mauer. Du wirst froh
sein, wenn ich dir Aufschub verschaffe.«
    »Gleich kommt mein Liebhaber mit der Beute.«
    Mit gedämpfter Stimme sagte er: »Dann müssen wir
uns eben beeilen, hab ich recht?« Und er stürzte sich auf
sie. Ayrid warf ihm den Sack vor die Brust und wich seitlich aus,
doch sie war nicht schnell genug. Ralschin packte sie beim Arm und
riß sie herum. Im selben Augenblick trat sie so hart zu, wie
sie konnte, und sie stürzten beide zu Boden. Dann war er auf
ihr, ihr Mund war voller Bart, sie würgte und strampelte und
drosch vergebens auf ihn ein. Der rechte Daumen barst vor Schmerz,
als die Hand seine Kinnlade traf. Ralschin hockte rittlings auf ihr,
preßte ihr beide Hände einhändig hinter dem Kopf an
den Boden und riß ihr mit der anderen Hand den Tebel vom Hals
an den Gürtel hinunter, mit solch einem gemeinen Ruck, daß
ihr das Tuch in den Nacken schnitt und sie vor Schmerz aufschrie. Mit
der
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