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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht
Autoren: Nancy Kress
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freien Hand schlug Ralschin ihr in den offenen Mund, dann
schloß er die Hand um eine Brust und zerrte sein Glied
heraus.
    Im nächsten Augenblick lief ein heftiger Schauder durch
seinen Körper, sein Kopf flog zurück, und sein Mund
öffnete sich zu einem Schrei, der in einem blutigen Gurgeln
erstickte. Er sackte zur Seite, im Hals den Bolzen aus Jehannas
Armbrust.
    »Rühr dich nicht von der Stelle!« sagte Jehanna zu
dem zweiten Mann, der nur Augen für die Armbrust hatte, die mit
einem neuen Bolzen auf ihn zielte.
    »Schon gut«, sagte er entsetzt. »Ich wollte sie
nicht anrühren. Er war das nur!«
    »Wer ist noch bei euch?«
    »Niemand! Nur Ralschin und ich! Und ich wollte sie nicht
anrühren – du hast sicher gehört, wie ich gesagt hab,
er soll kommen. ›Komm jetzt!‹ hab ich zu ihm gesagt, so
wahr ich hier stehe.«
    »Wohin wart ihr unterwegs?«
    »Nach Delysia.«
    »Woher kommt ihr?«
    »Von der Grauen Mauer.«
    »Ihr? Warum?«
    Ayrid wälzte Ralschins Leiche von sich, kam taumelnd auf die
Füße und bedeckte mit gekreuzten Armen ihre
Blöße. Jehanna würdigte sie keines Blickes.
    »Ich habe gefragt, warum ihr die Graue Mauer wieder
verlassen habt!«
    Der kleine Mann zauderte. Unterwerfung und Verwirrung lagen in
seinen Augen. Sein Blick flog hin und her zwischen der jelitischen
Kriegerin und der delysischen Frau, die ihren zerrissenen Tebel
über die Brüste zog. Schweiß und Öl
glänzten auf seinem Gesicht. Schließlich sagte er:
»Was die Mauer gesagt hat, hat uns Angst gemacht.«
    »Was sie gesagt hat?«
    Der Mann nickte, leckte sich die Lippen und versuchte, Jehanna
zuzulächeln; das Lächeln geriet zu einer schauerlichen
Fratze, die einem geprügelten Krihund alle Ehre gemacht
hätte. Jehanna verzog angewidert das Gesicht und spannte die
Armbrust. Der Mann wimmerte und sank auf die Knie. Jehanna schob das
Kinn vor und schoß. Der Bolzen bohrte sich in seine Kehle;
Ayrid schrie auf und wandte das Gesicht ab; sie wollte nicht sehen,
was jetzt passierte.
    »Eine Frau aus Delysia«, hörte sie Jehanna sagen.
»Aus eurer eigenen Stadt. Ihr seid schlimmer als
Tiere.«
    Ayrid kämpfte ihren Ekel nieder. Sie hörte, wie ihre
eigene Stimme zitterte und brüchig wurde: »Und in Jela
– in Jela kommt es nie zu Vergewaltigungen?«
    »Kein Krieger würde eine Bürgerin vergewaltigen.
Dafür haben wir Huren.«
    »Frauen aus Delysia, ehemalige Kriegsgefangene«, sagte
Ayrid. Sie wußte kaum, was sie sagte; ihre Stimme klang fester,
aber ihre Knie knickten ein, sie waren weich und nachgiebig wie
Flußwasser. Sie wankte zum nächstbesten Baum und lehnte
sich dagegen, schloß die Augen, beide Hände hielten
krampfhaft den zerrissenen Tebel zusammen.
    »Ich habe Nadel und Faden«, sagte Jehanna ruhig.
    »Nähzeug hab ich in meinem Sack!« sagte Ayrid. War
das Nähzeug wirklich noch drin? Oder hatte Jehanna es
zerschmissen? Zerschmissen? Nein, das war die Doppelhelix, die
Jehanna zerschmissen hatte, blaues und rotes Glas im Mondlicht, Blut
auf dem dunklen Gestein, und aus der Savanne kam das andere blaue
Stück von Embris Flasche gekullert…
    »Jehanna«, sagte sie langsam und schloß die Augen,
um dem dunklen Strudel in ihrem Kopf zu entgehen, »was
hättest du getan, wenn die beiden Jeliten gewesen wären?
Das Schwert der Ehre, hätte es mich dann auch
beschützt?«
    Sie“ bekam keine Antwort. Als sie die Augen öffnete,
stand Jehanna über Ralschins Leiche und wischte das Blut von dem
Bolzen.
    »Bürger von Jela, Jehanna. Hättest du sie wirklich
getötet, um deinen Schwur einzulösen?«
    »Bedecke deine Blöße!« sagte Jehanna kurz
angebunden und ging hoch erhobenen Hauptes zu der kleineren Leiche,
die rücklings am Flußufer lag. Mit einem Ruck riß
sie ihr den Bolzen aus dem Hals; Gesicht und Brust des Toten
färbten sich im Nu rot. Ein Käfer, der gerade über die
krumme Nase krabbelte, wehrte sich verzweifelt gegen die rote
Springflut.
    Ayrid grub in ihrem Sack nach Nadel und Faden, zog sich den
zerrissenen Tebel über den Kopf und machte sich ans Flicken. Die
wiederkehrenden Arm- und Handbewegungen beruhigten sie ein wenig; als
sie den Tebel wieder überstreifte, da zitterten ihre Finger
nicht mehr, und ihre Knie trugen sie wieder. Jehanna kehrte ihr den
Rücken zu und musterte die Savanne.
    Ayrid schulterte ihren Sack und mied den Anblick der beiden
besudelten Leichen, die der Sonne preisgegeben waren.
    »Jehanna. Danke.«
    »Spar dir deine Dankbarkeit, Delysier. Man wirft nicht mit
Dreck.«
    Was
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